Absolute Beginners
Bücher zu streicheln. »Aber wenn du zu Miriams Vater kommst, findest du da eine ganze öffentliche Bibliothek, mit Stapeln sogar in der Küche und in den
Einbaumöbeln
31 , und das meiste davon auf Deutsch oder Russisch.«
»Deine Leute sind Kaufleute, Mannie?«
»Ja, aber ich habe vier Rabbis in der Familie, wenn man Cousins dazurechnet«, sagte er mit einem wilden Grinsen, halb Stolz, halb Horror.
»Denen hat es nicht gefallen, als der kleine Emmanuel Gefallen am Schreiben fand?«, fragte ich.
»Es war ein Kampf. In jüdischen Familien, Heidenjunge, muss es immer einen Kampf geben, bei allen wichtigen Entscheidungen, besonders was die Söhne betrifft. Aber weil ich weiter am Markt unten arbeitete, was ich ja den größten Teil der Woche immer noch tue, gaben sie sich bald ungnädig geschlagen. Besonders als sie mich das erste Mal im Fernsehen sahen.«
»Und Miriams Familie?«
»Denen hat es noch weniger gefallen. Weißt du, sie hielten mich für eine schlechte Partie für ihr Mädchen, aber sie dachten, na ja, selbst wenn er ein Bauer ist, verdient er wenigstens ordentlich Geld für das Mädchen.«
»Und was ist jetzt?«
»Ach, sie sind einverstanden. Miriams Poppa hat mich ins Deutsche und Jiddische übersetzt – aber nur auf Jiddisch bin ich auch veröffentlicht.«
»Sind sie nett?«
Mannie betrachtete die Decke und strich über seine Bücher.
»Ich sag dir, was an ihnen nett ist. Die einzigen drei Fragen, die sie Miriam gestellt haben, als sie die Bombe hochgehen ließ, waren: ›Ist er gesund, arbeitet er hart, liebst du ihn?‹ – in dieser Reihenfolge. Das Geld erwähnten sie erst, als sie mich trafen.‹
Der junge Saul hatte sich vernachlässigt gefühlt und sich zu uns gesellt.
»Über den hier freuen sie sich doch sicherlich«, sagte ich.
»Was? Mit schon zwölf Enkeln? Vielleicht werden sie ein bisschen Notiz davon nehmen, wenn wir unser Zwölftes kriegen.«
»Und darauf kannst du lange warten«, sagte Miriam, die eben mit dem Tee hereinkam.
Und so kam es, dass mein Besuch bei Mannie und Miriam mich wieder aufgebaut und mir die Kraft für einen neuen Anlauf bei Crêpe Suzette gegeben hatte. Selbst wenn es eines Mannes unwürdig ist, einem Mädchen nachzulaufen – was hatte ich in meiner Lage schon zu verlieren? Also bat ich das Katz-Paar, ihr Telefon benutzen zu dürfen, und rief in Suzes W2-Apartment an, wo sie, ziemlich überraschend – oder vielleicht auch nicht, denn Kühnheit wird doch oft belohnt –, abnahm und zu mir sagte, ob ich nicht vorbeikommen und sie besuchen wolle, bevor sie zum Lament-Schauspiel unten in SW3 aufbräche?
Dieses Mal nahm ich die U-Bahn, weil ich darüber nachdenken wollte, was die beste Taktik wäre, um Suze anzugehen – ob ich versuchen sollte, es wegen Henley zu einer endgültigen Auseinandersetzung kommen zu lassen, oder ob ich das Feuer eindämmen und es am Glühen halten sollte, bis ich eines Tages wieder an der Reihe war. Aber das war ein Fehler, ich meine die U-Bahn, denn als ich schließlich vor ihrer W2-Adresse ankam, sah ich, dass Henleys gebrauchter Rolls dort stand und die Lichter oben in Suzes Stockwerk fröhlich brannten.
Suze wohnt in einem Trio viktorianisch-bourgeoiser Paläste, die sie zu kleinen Wohnungen für die neue intellektuelle Lebenskünstler-Meute umgebaut haben, und auf den alten Säulen unter dem Portikus steht, statt der Ziffern 1, 2 und 3 oder was auch immer man schreiben sollte, Serpentine House , wobei dieses »House«-Ding die neueste Art ist, jegliche Absteige zu beschreiben, aus der der Vermieter noch einen schnellen Fünfer rausholen will. Man drückt eine Klingel, und eine verstopfte Stimme antwortet über so ein Flüstertüten-Ding (manchmal auch nicht), und man erzählt in ein Gitter, was man will, als hielte man eine Ansprache an die Nation, und dann gibt es jede Menge Klicks und Gesumme, und schon ist man im Hausflur, wo einem die Eier abfrieren, sogar im Sommer, und besteigt einen hochkant gestellten Sarg, der »Aufzug« genannt wird, und rast an blanken Wänden vorbei nach oben wie durch einen Grubenschacht, bis man mit einem jähen Ruck bei der gewünschten Nummer anhält. Beim Fahrstuhltor – das nur von einem starken Mann geöffnet werden kann, sich aber von selbst wieder schließt, bevor man draußen ist –, da, auf dem Absatz, stand zu meiner nicht geringen Überraschung: Henley.
Du wirst sofort kapieren, wie Henley ist, wenn ich ihn als kalten Schwulen umschreibe: d. h., er ist keiner von der
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