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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin MacInnes
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Flucht vor der Realität in jeder Hinsicht.«
    Miriam und ich mampften und warteten.
    »Jahrhundertelang«, sagte dieser Southwark-Shakespeare, »waren die Engländer reich, und der Preis des Reichtums ist, dass man die Realität dahin exportiert, wo man sein Geld herbekommt. Und jetzt, wo sich die Märkte in Übersee einer nach dem anderen abschotten, kommt die Realität nach Hause, um sich zu rächen, bloß merkt es keiner, obwohl sie sich gleich nebenan breitgemacht hat.«
    Kurze Pause. Anscheinend war eine Frage verlangt. Und daher:
    »Und das heißt?«, sagte ich.
    »Es wird ein unsanftes Erwachen geben«, sagte Emmanuel und schnäbelte mit den Lippen auf seinem Hering herum, bevor er ihn herunterschlang wie eine Zirkusrobbe.
    Ich holte den uralten Totschläger heraus.
    »Eine Minute, Cockney Boy«, sagte ich. »Du redest von ›den Engländern‹ – bist du denn keiner von uns?«
    »Ich? Sicherlich. Wenn du in dieser Stadt zur Welt kommst, wirst du fürs Leben gezeichnet: und in dieser Gegend ganz besonders.«
    »Also geschieht das, was mit den Engländern geschieht, auch mit dir?«
    »Oh, auf alle Fälle. Ich bin auf denselben Flug gebucht, wo auch immer die Reise hingeht.«
    »Solange ich das nur weiß«, sagte ich. »Ich will, dass du noch da bist, wenn uns die großen Rechnungen aufgetischt werden.«
    Diese kleine Unterhaltung hatte plötzlich einen kaum merkbaren eigenartigen Unterton angenommen, wie das mit Unterhaltungen manchmal passiert, besonders wenn in der Ferne die Stammestrommeln zu schlagen beginnen – und ich wollte Mannie zu verstehen geben, dass ich ihn für mindestens genauso einheimisch hielt wie mich und sogar noch mehr, und dass ich ihn brauchte und bloß fürchtete, dass er irgendwann genug von uns haben und abhauen würde. Aber jetzt hatte er sich Prinz Saul geschnappt und umklammerte ihn wie dieses Epstein-Ding oben am Oxford Circus und sagte zu mir:
    »Ich schreibe in der englischen Sprache, Junge. Nimm sie mir weg und die ganze Welt, aus der sie und ich stammen, und du schneidest mir den rechten Arm ab und andere lebenswichtige Teile noch dazu – von meinem Lebensunterhalt und meinen Hoffnungen auf Ruhm gar nicht zu reden. Drei meiner Großeltern sprachen nicht ein Wort. Aber ich, ich tue es, deine Sprache ist meine.«
    »Großmutter Katz sprach sehr gut Englisch«, sagte Miriam.
    »Mit mir nicht, nie.«
    In diesem Moment rülpste der junge Saul.
    »Hör zu«, sagte Mannie feierlich. »Ich erzähl dir ein Geheimnis: England ist fürchterlich, und die Engländer – die sind Barbaren. Aber drei Dinge an ihnen liegen mir sehr am Herzen – die wunderschöne Sprache, Gott weiß, wie sie sich die ausgedacht haben, und in der zu schreiben ich mein Bestes gebe, und der neugierige Instinkt ihrer Ingenieure und Seeleute und Forscher und Wissenschaftler, nachzuforschen und das Warum zu finden, und ihre Radikalen, die einmal im Jahrhundert aufspringen, um ihnen das Fell abzuziehen und sie zu erlegen, ohne Rücksicht auf Verluste. Solange es diese Dinge hier gibt, bin ich froh, dazuzugehören und werde die Engländer verteidigen … und alles andere kann ich darüber vergessen.«
    Mannie sagte das so ernsthaft, als legte er einen Eid ab, der ihm womöglich die Gaskammer einbrachte, den er aber dennoch nicht brechen würde. Zugegeben, er war sich arg bewusst, was er sagte, und dass wir sein Publikum waren (besonders Saul) – aber ich für meinen Teil glaubte ihm und war beeindruckt. »Ich könnte eine Tasse Tee gebrauchen«, sagte ich, und diesmal ging Miriam hinaus, um mir eine zu holen.
    Mr. Katz erhob sich und streckte sich und sagte: »Heiho – das ist das menschliche Element. Die Welt ist schlecht.«
    Ich lief unterdessen in dieser scheußlichen Vorderbutze herum – scheußlich meine ich in Bezug auf die Einrichtung und so, die noch nicht ganz zum zeitgenössischen Schick aufgeschlossen hatte, dafür aber nett und gemütlich und gut abgenutzt war, wie das mit Wohnzimmereinrichtungen nicht immer der Fall ist. Drüben in einer Ecke, fast so versteckt wie ein Nachttopf hinterm Vorhang, stand eine kleine Auswahl ausgewählter Bücher, unter ihnen mehrere Exemplare von Mannies zwei Produktionen, je eine Ausgabe davon war in das Leder eines seltenen Tieres gebunden und steckte dann noch in einer Außenhülle aus Velours.
    »Sind nicht gerade ein lesewütiger Haufen, deine Vorväter«, bemerkte ich.
    »Nicht auf meiner Seite«, sagte Mannie K. und kam herum, um seine dünnen, geliebten

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