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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin MacInnes
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mich persönlich betrifft«, sagte die Ex-Deb, »und ich mag mich täuschen, weil ich überhaupt keinen Sinn für Moral habe – zumindest behaupten das alle Männer, die ich verlasse oder die ich von vornherein nicht mag –, finde ich dieses Spielchen, bei dem man jeden, den man trifft, in eine eindeutige sexuelle Kategorie packt, ein ganz kleines bisschen absurd.«
    »Fad auf jeden Fall«, schlug ich vor.
    »Nein, bloß absurd . Ich meine«, sagte die Ex-Deb und ließ ihre anmutigen Finger durch ihre üppigen Locken gleiten, »wenn jedermanns gesamtes Leben, vierundzwanzig Stunden am Tag, gefilmt und mitgeschnitten würde, wer genau würde da noch normal rüberkommen?«
    »Ich nicht, das ist klar«, sagte Hoplite mit Nachdruck.
    »Du nicht, Schatz, aber auch sonst niemand «, sagte die Ex-Deb. »Ich meine, wo fängt die Normalität an und wo hört sie definitiv auf? Ich könnte dir ein paar Geschichten über normale Männer erzählen, wenn ich Lust hätte«, fügte sie hinzu.
    Der Hoplite akzeptierte höflich einen Schnaps von einem Nebentisch. »Die Welt, in der sie Gesetze machen und Urteile fällen«, sagte er zu uns allen, »ist für meinen armen verdammten Babykopf nicht zu begreifen. Ich habe nur eine Frage, bitte: Gibt es in England noch irgendein anderes Gesetz, das jede Nacht von Tausenden glücklichen Individuen überall auf den britischen Inseln gebrochen wird, ohne dass sich jemand darum in irgendeiner Weise schert ? Ich meine, wenn das Gesetz wüsste, dass Tausende Verbrechen irgendeiner anderen Art von Personen begangen werden, deren Namen und Adressen et cetera sie kennen, würden sie da nicht brutal reagieren? Aber in unserem Fall, obwohl sie sehr genau wissen, was los ist – wer weiß das schließlich nicht? Das alles ist ja so offenkundig und so langweilig –, ignorieren sie es; abgesehen vom schändlichen Treiben in den Parks und dem klassischen Chorknaben-Manöver, das jede Schlampe mit nur ein bisschen Selbstrespekt aufrichtig missbilligt, lassen sie das Gesetz, das durchzusetzen sie bezahlt werden, ebenso außen vor, wie wir das tun.«
    »Gelegentlich«, erinnerte ich Hop, »suchen sie sich einige wichtigere Opfer …«
    »Ach ja … Man holt ein oder zwei Akten aus dem Stapel, gelegentlich, aber es scheint, als suchten sie sich immer jemanden aus, dessen Karriere von der schmachvollen Publicity eher profitiert, als dass sie davon ruiniert würde, wie sie das törichterweise hofften, und sogar diese Art der Strafverfolgung wird heutzutage immer seltener …«
    Das kauten wir eine Weile wieder.
    »Ich sag’s dir, Hop«, sagte ich, »sollte das Gesetz jemals tatsächlich geändert werden, würden neun von zehn deiner schwulen Bruderschaften sofort den Betrieb einstellen.«
    Er blickte mich mit seinen wunderschönen, trägen Augen an. »Oh, aber natürlich , mein Kind«, sagte er. »Solange das Gesetz so ist, wie es ist, ist das Schwuchtelsein für sehr viele der lieben alten Tunten eine Vollzeitbeschäftigung. Das sind Geschöpfe, die sich der Sache voller Hingabe widmen. Sie kommen sich so ungezogen vor in ihren trostlosen kleinen Clubs und Service-Höhlen. Himmel, kenne ich das nicht ganz genau?« Trotz der Sommerhitze schauderte es den Hoplite.
    Die Ex-Deb streckte acht Fangarme aus und gab dem Fabulous einen dicken Kuss, den er bravourös entgegennahm. »Nicht nachlassen, mein Schöner«, sagte sie.
    »Ganz sicher nicht «, sagte der Hoplite und erhob sich.
    Ich nahm ihn mit meiner Vespa ein Stück nach Westen mit, entknotete aber seine Arme und setzte ihn ab, bevor er herausfinden konnte, wohin ich fuhr, denn mein Fahrtziel hatte einen sehr privaten und genau genommen etwas eigenartigen Anlass, nämlich meinen jährlichen Ausflug mit meinem Dad zu einer Nachmittagsvorstellung von
H. M. S. Pinafore
38 .
    In den fernen Tagen vor Hi-Fi und LP s hatte mein Dad in unserem untrauten Heim oben in der Harrow Road einen Apparat, den er aus alten Fahrradteilen und Uhren und Marmeladendosen selber gebaut hatte, und auf dem er jedem, der es hören wollte, was natürlich wir Kinder waren, eine Auswahl an Platten vorspielte, die er irgendwo aufgetrieben hatte, die meisten davon hatten kaum noch Rillen, sodass man gute Ohren und eine Menge Erfahrung brauchte, um zu erkennen, welche Stimme sang und welche Instrumente gerade gespielt wurden, von den Melodien gar nicht zu reden. Und unter dieser Sammlung, die Dad hütete wie ein Geizkragen seinen Schatz und in einem verschlossenen Stahlkoffer unter einem

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