Abstauber
Achtermann aber gut nach dem Mund geredet, der kann den auch nicht leiden.«
»Darum geht
es nicht, Hans!«
»Doch, darum
geht’s. Du hoffst, dass du dem Ehlig irgendwie ein Ding reinwürgen kannst, weil
du seine Großkotzigkeit nicht verträgst und seinen Erfolg. Deshalb hast du auch
Bärlach auf die Spur angesetzt, der hätte sich lieber um die Listen vom Schießverein
kümmern sollen.«
»Ich dachte,
ich hätte ihn weggeschickt, weil ich ihn loswerden wollte? Hast du das nicht gesagt?«
»Ja, auch deshalb.«
Uhlmann hätte gern den Kopf geschüttelt, doch weil er das nicht konnte, winkte er
ab. Nun musste er sich nämlich den Listen widmen.
10
In der Nacht vor dem souverän erreichten Viertelfinale
gab Tauner auf und schenkte sich die zweite Hälfte der Wodkaflasche aus dem Kühlschrank
ein. Die Niederlanden hatte sich als starker Gegner entpuppt, dem die Nationalmannschaft
ein zwei zu eins abgerungen hatte. Dänemark dagegen als letzter Gruppengegner, die
das letzte Spiel hätten gewinnen müssen, sah sich einer deutschen Mannschaft gegenüber,
die nichts verlieren konnte und frei aufspielte. Ein Ehrentreffer kurz vor Schluss
milderte kaum den Schmerz der vier Gegentreffer. Ehlig lobte die traurigen Dänen,
und aus seinem Mund klang es wie Hohn. Tauner versuchte, den Fußballmeldungen aus
dem Weg zu gehen, doch das war unmöglich, selbst wenn er Radio, Fernsehen und Internet
ignorierte, sprangen ihm die Zeitungsmeldungen ins Auge und nicht nur einmal ertappte
er sich dabei, wie er beim Schlangestehen in der Bäckerei die Überschrift der Leitartikel
las, die allesamt einzig dieses Thema kannten.
Auch sein Fortschritt
auf Arbeit konnte lediglich als unbefriedigend bezeichnet werden. Achtermanns Liste
und die des Schießvereins hatte den zu überprüfenden Personenkreis mindestens verdoppelt.
Eine Woche lang hatten sie nichts Besseres zu tun gehabt, als sämtliche Dienststellen
besagter Verdachtspersonen anzurufen und sie um Mithilfe zu bitten, da es galt,
irgendwelche Zusammenhänge zu finden. Leider konnte fast jeder, dem Achtermann einmal
wohlgesonnen war, bei ihm schießen oder wurde wenigstens zu einer Vereinsfeier eingeladen.
Bestimmt arbeiteten
nun fünfzig Leute in ganz Deutschland an diesem Fall und deren E-Mails häuften sich
in Tauners Posteingang zu einem schier undurchdringlichen Dickicht aus Namen und
Daten. Er allein brauchte Tage, um dieses Dickicht zu lichten, und es wurmte ihn,
dass er dabei immer dieses dumme Gefühl in sich trug, Ehlig wüsste mehr. War der
mit seiner Rolle einfach nur zufrieden? Hatte er sogar etwas davon, wenn der Täter
unerkannt blieb? Der Presserummel um ihn herum jedenfalls war unbeschreiblich, und
die Angst der Staatsanwältin, etwas von den alten Ungereimtheiten könnte ans Tageslicht
gelangen, war völlig unberechtigt. Die Presse war Ehlig wohlgesonnen, ließ ihn jeden
Tag zu Wort kommen, ließ ihn erzählen, was seine Vorgänger falsch gemacht hätten,
dass er nun wieder richten musste, erwähnte mit keinem Wort irgendwelche Vorkommnisse
aus der Vergangenheit. Ehlig sprach von Taktiken und wie man den nächsten Gegner
angehen musste, wusste, wer die stärksten Konkurrenten waren, erzählte, dass er
von dem Überfall nicht mehr wusste, als er der Polizei erzählt und dass er Glück
gehabt hatte und wie traurig er über den Tod seines Freundes Holger war. Seinen
Verband trug er stets von einer Jacke leicht bedeckt, doch so, dass man ihn sehen
konnte. Dabei kaute er immerzu seine Kaugummis, wenn seine Assistenten vergaßen,
ihn darauf hinzuweisen, diese vor den Pressekonferenzen herauszunehmen. Noch dazu
schien er alles richtig zu machen, sie hatten alle drei Vorrundenspiele gewonnen,
Ehlig wurde größer und größer vor der Kamera, lächelte grimmig und machte jeden
nieder, der es wagte, eine dumme Frage zu stellen. Von Minute zu Minute steigerte
sich Tauners Unwillen, wenn er diesen Mann sah; er fragte sich, ob der nur so tat,
als trauere er, ob er einen Vorteil zog aus Jansens Tod, warum er nicht zur Tankstelle
gefahren war, um Jansen Zucker zu besorgen, und ob er gerade dabei war, sich in
einen Hass gegen diesen Mann hineinzusteigern.
Das Schlimme
an Tauner war, dass er genau wusste, wenn andere recht hatten, es wegen seiner Sturheit
aber vor sich selbst oder vor anderen niemals eingestehen würde. Zwar überspielte
er das oder fing an zu streiten, doch tief in seinem Innern wusste er genau, wann
er über die Stränge geschlagen hatte.Uhlmann hatte
Weitere Kostenlose Bücher