Abstauber
wahrscheinlich recht
damit, dass er seinem allgemeinen Frust, seiner Unfähigkeit, seine Ehe zu retten
und den Verlust der Kinder, die plötzlich nicht mehr klein und lenkbar waren, ein
Bild zu geben versuchte, um sich damit nicht auseinandersetzen zu müssen. Ehlig
war wie geschaffen dafür. Aufgedreht und eingebildet wie ein Kokser, wusste er immer,
was zu tun war, hatte scheinbar immer die richtigen Worte auf den Lippen und war
dabei noch erfolgreich. Es war leicht, einen Hass gegen den Mann zu entwickeln,
anstatt sich seinen Problemen zu stellen.
Gelangweilt zappte Tauner durch
die Fernsehprogramme. Alles, was er sah, war die Spielaufstellung, die Zerrung irgendeines
Mittelfeldspielers, Interviews mit Experten, die alles noch besser wussten. Interviews
mit Spielern, die allesamt dasselbe sagten, wenn sie es mit verschiedenen und manchmal
ungelenken Worten taten. Ehlig war ihr Mann, Ehlig sagte, was Sache war, es ist
ein Turnier und man darf nicht für sich selbst denken, wir müssen eine Mannschaft
sein, das Team zählt, der Titel zählt, nichts anderes.
Tauner schaltete
den Ton weg und nahm einen Schluck aus der Flasche. Selbst das verdarb er sich mit
seinem schlechten Gewissen, doch leichter wurde es allemal und manchmal erweichte
es eine verhärtete Stelle in seinem Gehirn, ließ ihn eine Idee haben, die ihn weiterbrachte.
Nur half es nichts, wenn das Telefon
dabei klingelte. Tauner nahm sein Handy hoch, sah sich die Nummer an, die er nicht
kannte, und fragte sich, ob es tragisch wäre, einmal nicht ans Telefon zu gehen.
Letztendlich obsiegte sein Pflichtgefühl, an das Handy zu gehen, dieses Ehen zerstörende,
dumme kleine Ding. Wie wichtig war es schon, Mörder zu fangen, wenn man dabei sein
eigenes Leben auslöschte? Vielleicht war es dann nicht das richtige Leben, dachte
er. Tauner nahm ab, und erst als er den Namen der Frau realisierte, setzte er sich
gerade auf, so als ob sie ihn sehen könnte.
»Frau Ehlig? Hier in Dresden?« Tauner
hörte kurz zu. »In einer halben Stunde«, sagte er. Dann griff er sich ans Kinn.
»Sagen wir eine dreiviertel Stunde.«
Er hätte lieber ein Taxi nehmen sollen, dachte er eine halbe Stunde
später, den Wodka hatte er ganz vergessen. Er ließ die Scheiben hinunter und warme
Nachtluft hinein und bremste ein wenig ab. Sollten ihn die Uniformierten anhalten,
würde er denen sagen, wer er war. Doch umfahren wollte er trotzdem niemanden.
Die Ehlig hatte im Steigenberger,
einem der besten Hotels der Stadt, eingecheckt, direkt gegenüber der Frauenkirche.
Sie würde im Restaurant auf ihn warten und er musste hoffen, sie bezahlte, was auch
immer sie zu sich nehmen würden. Es war eine Stunde nach Mitternacht, als er das
Hotel erreichte.
Er stellte seinen BMW einfach am
Straßenrand ab, das Parkverbotsschild scherte ihn nicht. Das kleine Hinweisschild
in seinem Auto genügte für alle Fälle.
Der Mann an der Rezeption sah ihn
ein wenig schräg an und Tauner wartete nur darauf, dass er etwas Dummes über seine
Kleidung sagen würde. Doch der Mann war nur freundlich und erkundigte sich nach
seinem Anliegen. Als er nach dem Restaurant fragte, deutete der Rezeptionist nach
links. »Frau Ehlig wartet schon auf Sie, Herr Tauner.«
Frau Ehlig saß an der Bar und tat gelangweilt, doch Tauner wusste,
sie schauspielerte. Soweit kannte er sich mit Frauen aus. Er setzte sich neben sie,
doch sie erhob sich sogleich und zwang ihn, wieder von seinem Stuhl zu rutschen.
Sie strahlte ihn an und ihre Augen
glänzten verheißungsvoll. »Herr Tauner, Sie haben sich rasiert. Kommen Sie, wir
setzen uns da drüben hin.« Die Ehlig hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, womit
Tauner gar nichts anfangen konnte.
Tauner folgte ihr an den Tisch,
bemerkte, dass sie ihr Getränk hatte stehen lassen, doch ein Kellner folgte ihnen
damit. »Haben Sie einen Wunsch?«, fragte er Tauner.
»Der Herr möchte einen doppelten
Wodka«, zwitscherte Frau Ehlig und rümpfte ein wenig ihr Näschen. »Sie sind doch
nicht im Dienst, oder?«
Sie hat das gerochen, dachte Tauner.
»Tja, das liegt ganz daran, worüber wir sprechen werden. Den Wodka nehme ich aber
trotzdem.«
»Schön haben Sie es hier«, meinte
Frau Ehlig unvermittelt.
Tauner sah sich um. »Ich sehe das
hier zum ersten Mal!«
»Seien Sie nicht albern, ich meine
Ihre Stadt.«
»Weiß denn Ihr Mann von Ihrem Besuch
hier?«
»Ich befürchte, der weiß zurzeit
nicht einmal mehr, dass er eine Frau hat. Der war zwar vor einer Woche noch einmal
kurz
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