Abstauber
wusste sich nicht mehr anders zu helfen. Aber: Ist er uns
nach Hamburg gefolgt oder war er schon vor uns da?«
»Ich denke, er war schon eher da.«
»Also vermutet er, dass sie hier
ist. Vielleicht kennt er die Hamburger Gruppe und ahnt, dass die seine Frau haben.«
Bärlach drehte sich um, lehnte seinen
Hintern an die Fensterbank. »Aber warum sollten die sie haben?«
»Vielleicht hat sie etwas gesehen?
Sie hat sich mit Spechtler gestritten und ist davongelaufen, dann sieht sie jemanden,
den sie nicht sehen sollte. Oder Spechtler wusste etwas, hat zufällig etwas mitbekommen.
Die wollen jedenfalls, dass er den Mund hält.« Tauner hielt inne, denn Bärlachs
Telefon begann zu klingeln.
»Ist es? Hundert Prozent? Alles
klar.« Bärlach nahm das Telefon runter. »Das Hamburger Labor. Es ist eindeutig ein
Haar von Frau Spechtler.«
»Dann müssen wir in Ehligs Villa
rein.«
Bärlach nickte und ging wieder ans
Telefon. »Haben Sie sich mit dem Staatsanwalt in Verbindung gesetzt? Gut, der Durchsuchungsbefehl
ist durch?« Bärlach nahm das Telefon wieder runter. »Die Hamburger Polizei will
das selbst in die Hand nehmen.«
Tauner hob die gesunde rechte Schulter.
»Von mir aus, wir fahren aber trotzdem hin!«
Frau Ehlig war offenbar zu müde, um beleidigt zu sein. Rauchend stand
sie auf der Terrasse, während zehn Polizisten das Anwesen durchkämmten, die Villa
und die Autos auseinandernahmen. »Ich dachte, Sie hätten sich in der Villa umgesehen?«,
sagte sie und blies Rauch in den Nachthimmel.
»Das haben wir. Wo ist Frau Spechtler?«
»Herr Tauner, ich weiß nicht, wovon
Sie sprechen. Ich habe die Frau noch nie gesehen. Ich habe keine Ahnung, wie das
Haar hier ins Haus kommt.«
»Ist Spechtler
vielleicht schon mal zu Besuch hier gewesen mit seiner Frau?«
»Nein, ich
sagte doch gerade, ich kenne die gar nicht.«
»Wie soll sonst das Haar hierher
gekommen sein?«
»Hier kann jeder ein und aus. Jeder
von der Truppe.«
»Jeder? Einfach so?«
Frau Ehlig warf die Kippe achtlos
auf den Boden und sah Tauner traurig lächelnd an. »Sie können das wirklich nicht
verstehen, stimmt’s, Herr Tauner? Die teilen sich alles. Absolut alles!«
»Teilt er Sie auch mit den Jungs?«
Tauner wollte es nicht glauben, aber seltsamerweise durchfuhr ihn heiße Eifersucht.
»Er würde es tun, wenn ich bereit
wäre. Da kommen Sie nicht rein, das ist eine verschworene Gemeinschaft. Seit, was
weiß ich, vierzig, fünfzig Jahren, verstehen Sie das nicht? Die waren zusammen in
der Schule! Die lassen alles stehen und liegen, wenn einer Hilfe braucht. Die teilen
sich das Geld und die Häuser, die Autos und manchmal die Frauen. Sie schenken sich
vollstes Vertrauen und es ist traurig, dass Sie das nicht wahrhaben wollen, Herr
Tauner. Das macht mich traurig, weil es mir zeigt, was für ein einsamer, zorniger
Mann Sie sind.« Frau Ehlig drehte sich weg und ging ins Haus. Tauner blieb stehen
und bemerkte erst jetzt Bärlach, der am Rande der Terrasse stand und alles mitbekommen
hatte.
»Ich bin nicht einsam!«, sagte Tauner
und ärgerte sich sogleich darüber. Das Beste ist, ich schweige ab hier, dachte er
sich. »Ich meine, ich bin doch nicht bescheuert! Das ist doch nicht menschlich,
alles zu teilen. Nicht böse zu sein, wenn man sechs Millionen Mark verliert. Die
Frau zu teilen! Jeden mit seinen Autos fahren zu lassen. Das gibt’s doch nicht,
oder? Drei von denen könnten doppelt so viel Geld haben oder noch mehr. Die schleppen
die anderen drei durch. Jansen hat nichts und kann nichts. Seiler, was macht der?
Hat Kontakte, wahrscheinlich zum DFB über seinen Großcousin, aber was ist das schon?
Spinn ich? Ich spinne doch nicht, oder? Nichts gegen Männerfreundschaften, aber
das ist wohl ein bisschen zu viel des Guten, oder? Rüdinger hat Zugriff auf alle
Konten, da lache ich mich doch tot! So was gibt es doch nicht wirklich, oder? Ich
meine: sechs Millionen Mark eingebüßt! Drei Millionen Euro! ›Na ja, halb so schlimm,
beim nächsten Mal klappt’s bestimmt, Holger‹! Kapier ich es wirklich nicht? Torsten!
Bin ich zu dumm?«
Bärlach sagte nichts dazu, sah betreten
zu Boden, dann blickte er wieder auf. Offenbar hatte er nur ein wenig Zeit vergehen
lassen wollen. »Du hattest dein Handy im Auto liegen lassen. Als es klingelte bin
ich rangegangen. Es war Martin, er sagte, wir sollen sofort nach Dresden kommen.«
»Sofort?«, fragte Tauner.
Bärlach nickte.
»Hat er noch etwas gesagt?«
»Er hat gesagt, wir sollen
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