Abtruennig
war ausgelöscht worden, von dem Mann, dem ich treu ergeben gewesen war. Mir wurde auf einmal schmerzlich bewusst, dass ich allein war.
Seufzend lehnte ich mich gegen einen Baum. Auch wenn meine Wut mittlerweile ins Unermessliche ging… ich musste sie unterbinden. Musste ich das nicht? Diese Vasallen zu richten war eine Sache, aber den König… ich brach diese wahnwitzige Idee sofort wieder ab. Das konnte ich nicht. Das würde Gott niemals gutheißen. Ich rutschte am Baumstamm entlang, bis ich den trockenen Boden unter mir spürte. Ich wollte mich ausruhen – obwohl ich nicht erschöpft war – aber es war nötig meine Gedanken zu ordnen und es war an der Zeit meinen Zorn zu bändigen. Als ich meine Augen schloss, um einen freien Kopf zu bekommen, sah ich den Vampir wieder, so als stünde sie direkt vor mir. Sie hatte gesagt, sie hätte Geschichte geschrieben, sie hätte die Geschichte verändert… ich würde sie ebenfalls ändern können. Vielleicht hatte ich das bereits getan und vielleicht sollte ich eine höhere Macht entscheiden lassen, was Unrecht war, und was nicht. Würde mir mein Glaube in dieser schweren Stunde helfen können, jetzt wo ich nicht mehr einfach nur Sir William de Tracy war?
Ich erhielt, wie erwartet, keine Antwort.
Und ich kam nicht umhin mich zu fragen, wann Heinrichs Regentschaft ein Ende haben würde…
24. Hochverrat
Drei Tage und drei Nächte hatte ich in der Dunkelheit ausgeharrt. Ich hatte mich in den Trümmern meines alten Hauses versteckt, bis in den hintersten Winkel war ich zurückgewichen und ich hatte die ganze Zeit über eine Sache nachdenken müssen. Es war inzwischen mehr als ein innerer Konflikt geworden. Einerseits wollte ich meine Familie rächen, denn ich hatte mein Versprechen bisher nur zum Teil eingelöst, die Mörder waren vielleicht gerichtet worden, aber ich hatte nicht denjenigen zur Verantwortung gezogen, der letztendlich über unser Schicksal entschieden hatte. Andererseits…handelte es sich um den König von England! Wie sollte ich… wie konnte ich…?
Das Schicksal war möglicherweise auf meiner Seite, denn ich wusste, dass sich Heinrich zurzeit auch in Frankreich aufhielt. Die Auseinandersetzungen mit seinen Söhnen waren bereits soweit fortgeschritten, dass er sogar von ihnen angegriffen wurde. Das Geschwätz der Menschen war bis in die abgelegensten Winkel des Landes vorgedrungen, es besagte, dass er aus diesem Krieg als Verlierer hervorgehen würde. Jeder wusste, dass Richard Löwenherz nach der Krone griff. Würde Heinrich durch die Hand seines eigenen Blutes sterben? Er war vielleicht dabei zu fallen, aber wieso hatte er dann gerade jetzt seine Leute beauftragt, meine Familie und mich zu töten?
Brauchte ein König überhaupt einen triftigen Grund?
Seufzend lehnte ich mich gegen die feuchten Wände meines selbsternannten Gefängnisses. Ich wollte mich hier liebend gern niederlassen und darauf warten, bis ich einfach verrotten würde, aber konnte mein Körper eigentlich verfaulen? Seit drei Tagen hatte ich nichts mehr gegessen, nichts mehr getrunken… ich hatte noch nicht einmal schlafen können. Das Unsinnige war jedoch, dass ich anscheinend weder das Eine noch das Andere brauchte. Ich fühlte mich relativ gut, und das erschreckte mich am meisten.
Draußen neigte sich der Tag langsam dem Ende zu und ich konnte tatsächlich fühlen, wie die Sonne dabei war unterzugehen. Der Vampir hatte gesagt, dass ich die Sonne meiden sollte und ich fragte mich abermals, warum. Was würde wohl geschehen, wenn ich ins Licht treten würde? Sie hatte es mit so einer Intensität gesagt, dass ich mir ziemlich sicher war, dass es mein Dasein wahrscheinlich beenden könnte. Vielleicht würde das tatsächlich einmal mein Ausweg sein, um mich von dieser Welt zu verabschieden.
Mein Körper erhob sich wie von selbst, er schien bereits zu wissen, dass ich zuerst noch etwas zu Ende bringen musste, bevor ich mich um meinen endgültigen Tod kümmern konnte. Mein Gewissen würde sich schon daran gewöhnen… möglicherweise auch nicht.
Als die letzten Sonnenstrahlen hinter dem Horizont verschwanden, verließ auch ich mein Versteck. Wenn ich die Nacht über durchlief, dann würde ich vor Morgengrauen in Chinon sein können. Ich hatte allerdings noch keinen blassen Schimmer, wie ich zum König gelangen wollte, aber mir würde schon etwas einfallen, denn immerhin hatte ich nun besondere Fähigkeiten, die mir zur Verfügung standen, es sollte mir demnach nicht schwer
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