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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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seinem großen, mit Ornamenten verzierten und aus Holz geschnitzten Bett, er schien zu schlafen. Ohne einen weiteren Moment zu überlegen, ließ ich meine geballte Faust gegen die Scheibe krachen. Das Glas zersprang sofort mit einem lauten Klirren. Ich würde nur wenige Sekunden haben, bis die ersten Wachen in den Raum stürmen würden, also verlor ich keine Zeit. Ich sprang ins Innere und ignorierte die scharfen Splitter, die sich wie Dolche in meine Haut bohrten.
    Heinrich hatte ruckartig die Augen aufgerissen und als er mich sah, war es, als stünde die Zeit still. Ich konnte in seinem Blick erkennen, dass er irgendwie wusste, was noch geschehen würde. „William?“, flüsterte er erschrocken.
    In nur einem Satz war ich an seinem Bett. Das Licht der Kerzen warf zuckende Schatten auf den Boden, verzerrte Silhouetten meines neuen Ichs. „Sag deinen Wachen, dass alles in Ordnung ist.“ Meine Worte kamen ruhig, aber bestimmend hervor.
    Er nickte perplex und im gleichen Augenblick klopfte es fest an der Tür. „Mylord? Ist alles in Ordnung?“, ertönte es von draußen.
    Heinrichs Blick blieb auf mir haften, auch als er antwortete: „Ja, es ist nichts. Es war nur der Wind und ein Glas ist zerbrochen. Geht wieder, das hat Zeit bis morgen.“ Sein Befehl kam unbeirrt über seine Lippen.
    „ Wie ihr wünscht.“ Ich hörte Schritte, die sich wieder etwas entfernten, aber sie würden in der Nähe bleiben.
    Heinrich richtete sich in seinem Bett auf. „Was ist mit euch geschehen, William?“
    Ich sah ihm tief in die Augen und es war für mich plötzlich schwerer als ich es erwartet hatte. Ich wusste, dass er für das Schicksal meiner geliebten Familie verantwortlich war und doch... er war mein König und ich hatte ihm bis jetzt treu gedient. Ich schloss kurz die Augen, seine Frage überging ich einfach. „Wieso?“, knurrte ich stattdessen.
    „ Was meint ihr?“ Es klang in meinen Ohren nicht so unwissend, wie er vielleicht hoffte.
    Ich sah ihn erneut an. „Der Ritter, den ihr einmal kanntet ist gestorben, so wie ihr es angeordnet habt.“ Die Bilder der Erinnerung kehrten zurück. Und auch der Hass in mir erwachte erneut zum Leben. „Genauso wie sein Weib und sein Sohn...“ Mein Grollen wurde unwillkürlich dunkler. Animalischer.
    „ William, ihr müsst verstehen... ich meine, ich hatte keine andere Wahl. Die Kirche-“
    „ Wie konntet ihr das tun?“, zischte ich. „Wir haben immer nur eure Befehle ausgeführt, für unseren König. Für England!“ Ich ging langsam ein paar Schritte durch das Zimmer, fast schon bedächtig. Ich musste mich selbst zurückhalten, weil der Zorn in mir die Oberhand gewinnen wollte. Nur zu gern, wollte ich einfach nachgeben, doch ich brauchte vorher Antworten.
    „ Die Zeiten haben sich geändert William, meine eigenen Söhne streben nach Macht.“ Er hustete plötzlich. Ich fühlte neben seiner Furcht noch etwas anderes. Man hatte im Volk Stimmen gehört, dass der König krank sei, vielleicht war es wahr und etwas war dabei ihn zu zerstören. Innerlich. Es war mir gleich, denn es würde keine Rolle mehr spielen. „Ich musste meinen Sohn Richard als alleinigen Erben einsetzen. Er und seine Truppen haben mich geschlagen“, fuhr er hüstelnd fort. „Ist das zu fassen? Nur Gott weiß, wieso so etwas geschieht.“
    Ich ging zum Fußende seines Bettes. „Ist das so? Dann sagt mir, warum ihr meine Familie ausgelöscht habt. Gott wollte mir darauf keine Antwort geben.“
    Er schüttelte schwerfällig den Kopf. „Nein, nein, William ihr müsst mir glauben, das habe ich nicht befohlen.“
    Meine Hände umfassten einen der reich verzierten Bettpfosten. „Es ist aber geschehen, Heinrich. Wieso?“
    Sein Körper begann langsam zu zittern. Ich wusste, dass es nicht wegen dem Husten war, denn ich konnte die Angst riechen, sie strömte urplötzlich aus all seinen Poren, ein seltsamer Geruch. Merkwürdig. Streng. Berauschend.
    „ Deine Wahrsagungen trafen ein, William. Alle!“ Das letzte Wort klang beinahe hasserfüllt. „Du hast Recht behalten. Ich hatte gedacht, wenn ich dich auslöschen würde, dann würde sich das Schicksal möglicherweise ändern…“
    Ich beugte mich gereizt vor. „Aber warum meine Familie? Ich habe es nur gesehen, ich war nicht dafür verantwortlich. Ihr wusstet, dass ich keinen Einfluss auf die Bilder in meinem Kopf habe, sie kommen und gehen wie es ihnen beliebt. Das liegt nicht in meiner Macht!“ Das Holz knirschte unter meinem Griff.
    Das Beben seines

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