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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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seinem Arm aussah, als würde er nur friedlich schlafen. Ich legte meinen Kopf seufzend in meine Hände. Was hatte ich bloß getan? Hatte ich nicht immer in Ehrfurcht gelebt und meinem Land gedient? Ich war nach Frankreich gekommen, in die Heimat meiner Frau, um mit meiner Familie in Frieden zu leben, fern ab vom Krieg und all den Schlachten, in denen ich als Ritter so oft gekämpft hatte. Ich hatte Buße getan; für meine Gräueltaten war ich sogar zum Pabst gereist, um ihn während einer Audienz zu bitten, mir und meinen Gefährten zu verzeihen. Und wofür? Das Schicksal hatte es letztendlich anders gemeint. Leider war mir diese Voraussicht nicht vergönnt gewesen, ich hatte nicht die Möglichkeit gehabt meine Familie zu schützen…und dann diese Begegnung mit Elisabeth. Ich seufzte erneut. Ich hatte jetzt nicht mehr viele Möglichkeiten, aber da ich mein Versprechen eingehalten hatte, gab es nichts mehr auf dieser Welt, was mich halten sollte. Ich erwartete das Ende, aber was würde aus mir werden, wenn es nicht kommen würde. Was, wenn Gott mich verlassen hatte, nun da ich kein Mensch mehr war?
    Die Sonne kroch langsam über den Horizont, bereit das Land in ein warmes Licht zu tauchen. Ich saß einfach nur da und wartete. Vereinzelte Strahlen erreichten schließlich auch den Burgturm und sie glitzerten in den Splittern des zerbrochenen Fensters. Die wachsende Helligkeit schmerzte ein wenig in meinen Augen und ich erinnerte mich abermals an Elisabeths Worte. Meide die Sonne!
    Ich stand auf und trat ohne zu zögern in das Licht. Ich fühlte die gleißenden Strahlen auf meiner Haut und es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis der Schmerz einsetzte. Es fühlte sich an, als würde mein Körper anfangen zu brennen. Vielleicht würde ich in Flammen aufgehen, je länger ich im Freien blieb, aber dann sollte es so sein.
    Ich war bereit es herauszufinden.

25. Rückkehr

    Es dauerte schier endlose Augenblicke, bis ich wieder Herr meines Körpers wurde. Ich kauerte in einer gekrümmten Haltung auf der Erde und ich rang tatsächlich nach Luft, wie ein Schiffbrüchiger, der endlich das Festland erreicht hatte. Der Sauerstoff war wertlos in meinen Lungen, aber ich konnte trotzdem nicht anders. „Mein Gott…“ Es war nur ein erschöpftes Flüstern, das über meine Lippen kam und eine Redewendung, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt hatte, aber in diesem Moment war es die Einzige, die mein Gefühlschaos wiedergeben konnte. Ich konnte den Schmerz der UV Strahlen noch regelrecht spüren und der Geruch von verkohltem Fleisch hing mir noch immer in der Nase. Ich stützte mich mit meinen Händen auf dem Fußboden ab, um nach oben zu schauen.
    Vincent sah mich bestürzt an, doch er schwieg.
    „ Sie haben sie getötet…“, begann ich stotternd. „Deine Familie…verbrannt…und …oh, Gott…“ Ich war nicht imstande in vollständigen Sätzen zu sprechen.
    Vincent lächelte bitter. „Also kennst du jetzt meine ernüchternde Geschichte.“ Mit ruhigen Schritten kam er auf mich zu.
    „ Es war als wäre ich du…als hätte ich selbst alles erlebt.“ Ich versuchte meinen zitternden Körper ruhig zu halten, was schwierig war. „Es war noch intensiver als bei Peter!“
    Vincent fixierte meinen Blick, als er sich vor mich hockte.
    „ Ich wollte nicht, dass du das durchleben musst.“
    „ Wer warst du wirklich, Vincent?“ Ich ging auf die Knie und richtete meinen Oberkörper ganz auf. „William? Was hat das alles zu bedeuten?“ So viele schreckliche Bilder, die ich niemals wieder vergessen würde, so viele Gesichter, die ich einfach nicht hatte einordnen können. Und so viele Dinge, die ich einfach nicht verstand.
    „ Mein Name war Sir William de Tracy“, begann mein Schöpfer sanft. „Ich war Gutsherr von Toddington, Baron von Bradninch und ich war Herr von Moretonhampstead. Besser bekannt bin ich allerdings, als einer der vier Ritter, die Thomas Becket getötet haben.“ Er fuhr sich bedrückt durch sein dunkles Haar. „Wir gehorchten den Befehlen des Königs, aber ich bereute diese Tat und wir wollten es ungeschehen machen. Leider hatten wir damals keine andere Wahl gehabt.
    Wir taten Buße, jeder auf seine Weise. Ich machte Spenden in Frankreich und England, stiftete ein Haus für Leprakranke. Wir Vier ließen sogar gemeinsam eine Kirche erbauen, aber der Pabst hat uns dennoch nicht vergeben. Und er tat gut daran.“ Er seufzte. „Nicholas, ich habe grauenvolle und abscheuliche Taten im Namen der Krone

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