Abtruennig
Innerlich musste ich lachen, selbst die Stimme in meinem Kopf stimmte mit ein.
„ Sehen wir uns morgen?“ Ihre Augen begannen zu leuchten.
„ Sehr gerne!“ Obwohl es mir widerstrebte, zog ich meine Hand von ihr zurück.
Es schien so, als wenn sie meine Finger ebenso widerwillig frei gab. „Ist dir bewusst, dass wir letztens in den Stallungen kurz davor standen…und wenn meine Tante nicht gekommen wäre, dann…hätten wir…“ Sie stammelte die Worte ein wenig unbeholfen vor sich hin.
„ Dir ist schon klar, dass du dich eigentlich fürchten solltest?!“ Ich sah ihr tief in die Augen.
„ Das ist aber nicht das, was du beabsichtigst. Sonst wärst du nicht so hartnäckig gewesen. Wenn du mich zu Tode ängstigen willst, dann musst du dir etwas anderes einfallen lassen.“
Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und grinste herausfordernd.
„ Das habe ich nicht vor.“ Behutsam griff ich nach ihrer Hand und ihre Augen folgten meiner Bewegung. Vorsichtig drehte ich das Gelenk herum und ich küsste ihren weichen Handrücken. Ohne dabei meinen Blick zu senken, fuhr ich fort:
„ Schlaf eine Nacht darüber. Das war heute ein bisschen viel für dich und für mich“, scherzte ich. „Wenn du mich morgen auch noch sehen willst, dann mache ich da weiter, wo ich beim letzten Mal aufgehört habe.“
Ich lächelte sanft.
„ Das klingt fair.“
Sie lächelte zurück.
6. Letzte Erinnerungen
Lesley hatte eine Nacht darüber geschlafen und es sich überlegt. Leider war sie noch unvernünftiger als ich. Sie wollte mich nämlich wieder sehen. Unangenehmerweise war es tagsüber ziemlich sonnig gewesen und für einen Oktobertag auch zu warm. Den Menschen schien das zu gefallen, ich hingegen bemühte mich an die Tage zu denken, die bald kommen würden. Längere Nächte und niedrigere Temperaturen, die mir besser lagen. Die Wärme schien mich eher zu schwächen, aber die Kälte war wie Balsam für meinen Körper, vermutlich weil ich genauso kühl war.
Ich hatte mich mit Liz verabredet, in Anbetracht des Wetters allerdings erst für abends. Tagsüber war sie sowieso in der Uni, also passte es ihr ebenso gut. Ich hatte nicht vor Lesleys geregeltes Leben durcheinander zu bringen – als ob das nicht schon längst passiert war.
Peter war glücklicherweise den ganzen Tag über unterwegs gewesen, was in regelmäßigen Abständen vorkam. Ich ging davon aus, dass er sich in weiblicher Gesellschaft befand, was mir natürlich sehr gelegen kam, so musste ich ihm nichts erklären und er mir ebenso wenig. Mit dieser Vereinbarung würden wir wahrscheinlich auch weiterhin gut leben können. Es war schon schwierig genug, dass ich mit diesen verwirrenden Gefühlen klar kommen musste, immerhin war es verboten, sich mit einem Menschen derart zu beschäftigen. Ich würde das niemals vergessen dürfen. Da meine innere Stimme mich allerdings jeden Tag daran erinnerte, war das ohnehin nur schwer vorstellbar. Ich schüttelte den Gedanken erst einmal ab, denn ich würde mich in der näheren Zukunft mit diesem heiklen Thema beschäftigen müssen, ob ich nun wollte oder nicht stand außer Frage.
Als die Sonne endlich am Horizont verschwand, stürzte ich förmlich in meinen Wagen. Ich legte die Strecke vermutlich in einem neuen Rekord zurück, was ziemlich unvernünftig war, aber in letzter Zeit tat ich viele unvernünftige Dinge. Zu viele!
Ich erreichte die untere Hauptstraße und bog zum Pförtnerhäuschen ab. Der Wachmann nickte mir nur zu, als ich die Scheibe herunter ließ. Das Tor öffnete sich bereits. Es war ein merkwürdiges Gefühl, von einem Menschen gekannt zu werden. Ich hatte tatsächlich einen offiziellen `Termin´. Schmunzelnd fuhr ich die lange Allee hinauf und ich unterdrückte jegliche negativen Gedanken. Ich würde mich irgendwann damit auseinander setzen müssen, aber nicht jetzt.
Ich parkte den BMW eilig auf einem der vorgesehen Kiesparkplätze. Ich war kaum ausgestiegen, da kam Liz mir auch schon entgegen gerannt. Sie sah einfach toll aus in der Abenddämmerung. Ihr wuscheliges Haar war zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden und ein paar kleinere Strähnen ragten an den Seiten hervor. Sie trug eine perfekt sitzende Reiterhose und einen engen Rollkragenpullover, mit einer dicken Steppweste darüber. Es ähnelte dem Outfit, das sie bei unserer ersten Begegnung in den Stallungen getragen hatte.
„ Hi!“, begrüßte sie mich strahlend.
„ Hi“, erwiderte ich und konnte nicht vermeiden, dass ich
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