Abtruennig
vermutlich ebenso grinste wie sie. „Also, Miss Ashton. Sie wollen wirklich so leichtfertig sein?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich würde es nicht so nennen. Wer kann schon von sich behaupten beim ersten Date gerettet zu werden und gleichzeitig auch noch mit einem Vampir auszugehen?“ Zwinkernd griff sie nach meiner Hand. „Komm, lass uns rein gehen. Ich fange nämlich so langsam aber sicher an zu frieren, sobald die Sonne weg ist, wird es kühl.“
Ich ließ mich bereitwillig von ihr zum Haus hinüber ziehen. Wir hatten die Tür kaum geöffnet, als mir schon der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee in die Nase stieg.
Newton bog wenige Augenblicke später um die Ecke.
„ Guten Abend Mr. De Winter!“
Seine Begrüßung war höflich, wie immer.
Ich nickte ihm zu. „Hallo, Newton.“
Die Andeutung eines Lächelns zeichnete sich auf seinen Mundwinkeln ab. „Darf ich ihnen den Kaffee servieren?“ Die Frage galt anscheinend uns beiden.
Liz schüttelte den Kopf. „Nur für mich, Newton. Danke.“
„ Sehr wohl.“
Er verschwand wieder hinter einer Ecke und ich hörte, dass er in die Küche ging. Dort sprach er mit einer anderen Person, es kümmerte mich nicht weiter und ich schenkte meine gesamte Aufmerksamkeit wieder der zierlichen Frau neben mir.
Lesley verzog ihren Mund. „Ich war jetzt etwas übereilig, aber ich denke einfach mal, dass du keinen Kaffee trinkst, oder?“
„ Nein. Ich nehme nichts zu mir, außer…“ Das letzte Wort schluckte ich hinunter, aber sie verstand mich auch so.
„ Schon klar.“
Sie lächelte, und ging mir ein paar Schritte voraus. Ich folgte ihr und konnte mir bereits denken, wo wir hingehen würden. Unser Ziel war das Gesellschaftszimmer, indem wir uns vorgestern schon aufgehalten hatten. Dieses Mal nahmen wir jedoch zusammen auf einer Couch Platz.
Nachdem Newton den Kaffee und etwas Gebäck gebracht hatte und er uns wieder allein ließ, konnte ich spüren, dass Liz einige Fragen auf der Seele brannten.
„ Na, frag schon“, lächelte ich amüsiert.
„ Bin ich so durchschaubar?“
Sie rührte Milch in ihren Kaffee.
„ Wie ein offenes Buch!“
Sie nahm einen kleinen Schluck der dampfenden Flüssigkeit.
„ Heiß“, pustete sie in die Tasse. „Okay…fangen wir mit etwas total Banalem an.“ Sie überlegte kurz. „Obwohl das bei dir interessant werden dürfte. Ähm, wie alt bist du?“
Ich antwortete ohne zu zögern.
„ Ich bin hunderteinundsiebzig Jahre alt.“
Ich fixierte ihren Blick.
Meine Erklärung schockierte sie offensichtlich. „Mein Gott…“ Sie rang nach Luft und für ein paar Sekunden sagte keiner etwas.
„ Gut, ich kriege das hin!“ Sie räusperte sich. „Erzähl mir von dir. Ich meine, wer warst du? Und wie ist es passiert?“
„ Du willst wissen, wer ich war, bevor ich verwandelt wurde?“
Sie nickte nur.
„ Okay…“ Ich lehnte mich entspannt in die Kissen des Sofas zurück. „Ich hole jetzt kurz einmal aus. Du musst oder solltest vielleicht wissen, dass der Stammbaum der De Winters bis ins späte 11. Jahrhundert zurück reicht“, ich lächelte stolz. „Wir waren eine große und vor allem kinderreiche Familie gewesen. 1348 wütete aber die Pest in vielen Teilen Frankreichs und raffte unzählige Menschenleben dahin. Unser Geschlecht war zwar schon immer privilegiert gewesen, doch es fielen auch eine Menge meiner Vorfahren der Seuche zum Opfer. Ob reich oder arm spielte da kaum eine Rolle. Wir wurden in so kurzer Zeit dezimiert…es muss unvorstellbar gewesen sein. Danach wurden in meiner Familie fast nur noch Töchter geboren. Die wenigen Jungen, die zur Welt kamen, starben fast immer an irgendwelchen Krankheiten oder fielen Unfällen zum Opfer. Das ging Jahrhunderte lang so weiter. Man munkelte inzwischen, wir wären mit einem grausamen Fluch belegt worden. Das passte natürlich geradezu perfekt in diese Zeit.“ Ich seufzte. „Mein Vater war dann der letzte männliche Nachfahre in meiner Familie. Als ich im Jahre 1837 in Paris geboren wurde, war die Freude natürlich unermesslich und man setzte verständlicherweise große Hoffnungen in mich“, fuhr ich fort. „Aufgewachsen bin ich in der Stadt Lyon, die am Zusammenfluss der Rhône und der Saône liegt. Dort war die Industrie zu jener Zeit gerade im Aufschwung, vor allem der Seidenhandel stieg rasant an. Meine Eltern waren in diesem Geschäftsbereich tätig und profitierten von dem wachsenden Markt und der immer größer werdenden Nachfrage. Ich weiß noch, dass
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