Abtruennig
Hinterhof schlugen sie zu. Es waren drei und sie kreisten mich ein. Trotz allem war ich mir in jenem Augenblick über die Situation bewusst, die mir bevor stand. Es war, als wenn das Blut mitsamt dem ganzen Alkohol aus meinen Adern gewichen war. Ich hatte an diesem Tag keine Waffe bei mir gehabt, was sonst noch nie vorgekommen war. Ich wusste also, dass ich gegen drei muskulöse Männer kämpfen musste und das ohne eine Pistole oder ein Messer. Meine Chancen standen demnach nicht sonderlich gut, das Ganze lebend zu überstehen.“ Ich starrte an Liz vorbei, auf irgendeinen Punkt an der Wand. Ich konnte die ganze Szenerie wieder vor meinen Augen sehen, als wenn es erst gestern gewesen war. Vielleicht lag es daran, dass es der Auslöser dafür gewesen war, dass ich mich zwischen Leben und Tod entscheiden musste. „Ich weiß noch, wie einer auf mich zustapfte, eine scharfe Klinge gezückt. Er beugte sich wild nach vorne und stach in meine Richtung. Ich konnte seinen Angriff abwehren und schleuderte ihn mit aller Kraft zu Boden. Ein kleiner Triumph, der jedoch nicht lange wehrte. Die anderen beiden griffen nun natürlich gemeinsam an, um nichts zu riskieren. Sie stürzten in meine Richtung und ich machte mich darauf gefasst, verletzt zu werden. Doch aufgeben war etwas, was ich nicht kannte. Das hatte nicht unbedingt viel mit Mut zu tun, eher mit Starrsinn.“
Gebannt sah Liz mich an. „Und? Was passierte dann?“
„ Ein dumpfer Schmerz traf plötzlich auf meinen Hinterkopf und augenblicklich wurde alles schwarz. Ich hatte mein Bewusstsein verloren.“
„ Hat der andere Kerl dich niedergeschlagen?“ Sie zupfte aufgeregt an einem Kissen herum.
„ Nein, ich glaube nicht. Aber ich kann es natürlich nicht mit Gewissheit sagen, denn Vincent hat mir diesbezüglich nie die ganze Geschichte erzählt. Fakt ist: Er hat mich vor diesen Schurken, nun ja, sagen wir mal gerettet.“ Ich hielt grinsend inne, als ich Lesleys breites Schmunzeln bemerkte. „Das Wort Schurke benutzt heute niemand mehr, oder?“
Liz kicherte und schüttelte den Kopf.
„ Du weißt ja, was ich meine.“
Sie nickte.
„ Ich bin halt etwas älter, als du.“
„ Unwesentlich“, korrigierte sie mich.
Ich rutschte ein Stück näher an sie heran. „Dafür bin ich bedeutend verrückter…“ Ich ließ meine Lippen über ihre Wange streichen und ich spürte sofort, wie die Hitze in ihr aufstieg. „…nach dir!“, beendete ich meinen Satz.
„ Lenk nicht ab“, brachte sie mühsam hervor.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl als sich ihr Puls beschleunigte und ihr Herz anfing zu tanzen. Mein gesamter Körper reagierte darauf, aber es war nicht wie sonst. Ihr Blut weckte nicht den Vampir in mir, sondern das Verlangen eines Mannes.
„ Entschuldigung“, murmelte ich. Ich zwang mich dazu, meinen Mund von ihrer warmen Haut zu lösen und ich lehnte mich wieder zurück.
Sie holte tief Luft. „Was ist dann passiert? Ich meine, hat Vincent dich noch in derselben Nacht verwandelt?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Jeder der sich für unser Schicksal entscheidet benötigt Zeit. Zwei Jahre wurde ich darauf mehr oder weniger vorbereitet.“
„ Verstehe…“ Sie schien über eine andere Sache nachzudenken, bevor sie weiter sprach. „Und die Verwandlung selbst…tut es weh?“
„ Ich würde dir gerne etwas anderes sagen, aber ja, die Schmerzen sind für einen kurzen Moment beinahe nicht zu ertragen. Du kannst fühlen, wie der Tod durch deine Adern kriecht.“ Ich bemerkte die Gänsehaut, die über Lesleys Haut jagte und bereute sofort, was ich gesagt hatte. „Es geht rasch vorüber…“, versuchte ich schnell einzulenken.
„ Wie lange dauert so eine Prozedur?“
„ Ich schätze, dass ist unterschiedlich. Es hängt vom Vampir ab und natürlich auch von der Verfassung des Sterblichen.“
„ Das klingt so, als wenn du damit keine Erfahrung hättest.“
„ Nun, das habe ich auch nicht. Ich habe noch niemanden verwandelt.“
„ Wieso nicht?“, fragte sie sichtlich überrascht.
Ich sah ihr tief in die Augen. „Es hat wirklich nicht soviel mit diesen romantischen Szenen aus irgendwelchen Filmen gemeinsam.“ Ich konnte erkennen, dass ihr diese Antwort nicht genügte. „Es ist zudem verboten. Dann wäre ich nicht besser als diese Abtrünnigen.“
„ Oh.“
„ Was?“, hakte ich nach.
„ Ich frage mich nur…wenn ihr keinen Menschen verwandeln dürft…vermehrt ihr euch dann gar nicht?“
„ Wir können keine Kinder zeugen, wie
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