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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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eine Vogel sei mit einem Pfeil an den Himmel genagelt, an eine gepolsterte Wand aufgespießt, während der andere seinen Tanz fortführe. »Was soll diese Geschichte bedeuten?«, fragte sie.
    »Eine Geschichte muss nicht immer etwas bedeuten. Manchmal dienen Geschichten der Unterhaltung. Wisst Ihr, Corinn, dass ich einen Finger meiner rechten Hand dafür hergeben würde, Euch glücklicher zu sehen?«
    »So leicht verkaufe ich meine Fröhlichkeit nicht.«
    Hanish grinste sie an, mit einem schiefen Lächeln, das von Respekt vor ihrer Beständigkeit sprach. Dann wurde er wieder ernst und legte einen weiteren Pfeil an. »Maeander wäre wahrscheinlich imstande, eine Olive aus jeder Entfernung zu entkernen. Er zeichnet sich in allen Kriegskünsten aus. Ich habe großen Respekt vor ihm, und dieses Eingeständnis fällt mir nicht schwer.«
    Corinn bezweifelte, dass Hanish vor irgendjemandem außer vor sich selbst Respekt hatte, doch ihr war Maeanders Abwesenheit im Jagdhaus aufgefallen. »Wo ist Euer Bruder – bei irgendeinem Gemetzel?«
    »Seltsam, dass Ihr das fragt. Sein Auftrag betrifft auch Euch. Er sucht nach Euren Geschwistern. Ich weiß, ich weiß. Ihr wollt nicht einmal zugeben, dass sie noch am Leben sind. Aber wenn er sie findet, wird er sie hierherbringen. Vielleicht werdet Ihr ihm dafür ja ein wenig dankbar sein.«
    Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Würde er sie an einem Spieß anschleppen? Gefesselt und in Ketten? Oder würde sie vielleicht tatsächlich wieder mit ihnen sprechen, bei ihnen sein? Würden sie diese seltsame Gefangenschaft mit ihr teilen, wie Hanish es behauptete? Wenn ja, würde dies alles sehr viel weniger einer Gefangenschaft gleichen. Doch sie sollte sich diese Möglichkeit gar nicht erst ausmalen. Sie glaubte nicht wirklich daran. Hanish machte sich über sie lustig. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie gewusst, dass man der Welt nicht trauen durfte. Geliebte Menschen wurden einem immer geraubt, Träume immer zunichtegemacht. Das war ihre Auffassung vom Leben.
    Der Junge stand noch immer bei den Zielscheiben, doch der Knappe kam mit einem Köcher voll eingesammelter Pfeile auf sie zu. Corinn wechselte das Thema, machte scheinbar zufällig eine Bemerkung. »Ich habe im Palast einen Mann von der Gilde gesehen«, sagte sie. »Den mit der türkisfarbenen Spange, die einen Fisch darstellt.«
    Hanish ließ den Pfeil fliegen, doch es war kein guter Schuss. Stirnrunzelnd senkte er den Bogen. »Es ist ein Delphin. Man sagt, das seien keine richtigen Fische. Jedenfalls ist es das Zeichen der Gilde. Er heißt Sire Dagon und ist allein Sire Revek verantwortlich, dem Obersten der Gilde.«
    Sire Dagon. Ja, so hieß er. Jetzt erinnerte sich Corinn wieder, dass sie ihn als Kind gekannt hatte. Sie hatte ihn stets verabscheut – sein Aussehen, seine Stimme, sein affektierter Hochmut. Einmal war er hier im Jagdhaus gewesen, als sie sich gerade hier aufgehalten hatte. Das war wohl auch der Grund, weshalb sie die ganze Zeit an ihn gedacht hatte, ohne ihn so recht einordnen zu können. »Was habt Ihr mit ihm beredet?«
    »Wir haben über den Handel gesprochen. Das ist das Einzige, womit die Gilde sich abgibt.«
    »Hat er meinen Vater verraten? Haben die Gildenleute Euch ermutigt, über uns herzufallen? Sagt es mir, damit ich weiß, ob ich Dagon bei unserer nächsten Begegnung anspucken soll oder nicht.«
    Hanish nahm einen Pfeil aus dem Köcher, zielte und schoss. Diesmal traf er fast in die Mitte einer der weiter entfernten Zielscheiben. Der Junge jubelte und reckte triumphierend die Faust. Hanish beachtete ihn nicht. Auf Corinns Frage antwortete er ungewöhnlich sachlich.
    »Die Gilde ist mit nichts und niemandem verbündet, Corinn«, sagte er. »Ihr geht es allein darum, ihren Reichtum zu mehren. Aber da Ihr fragt … Die Gilde hat mit Eurem Vater die meiste Zeit im Streit gelegen. Vor ein paar Jahren hat sie sich an meinen Vater gewandt und ist einen Pakt mit uns eingegangen. Für den Fall, dass die Mein einen Erfolg versprechenden Landkrieg gegen Acacia anzetteln würden, erklärte sie sich bereit, ihre Schiffe abzuziehen und Eurem Vater die Seeunterstützung zu verweigern. Wir würden darauf vorbereitet sein; Acacia nicht. Da das Zentrum Eures Reichs auf einer Insel lag, war das Angebot für uns reizvoll. Allerdings war es ein Fehler, eine Handelsorganisation als Seestreitmacht einzuspannen. Ich bin jetzt nicht besser dran als Euer Vater, aber das wird sich bald ändern.«
    Corinn schoss.

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