Acacia 01 - Macht und Verrat
zeigen. Warum sollte er unter diesen nicht an erster Stelle stehen? Warum sollte ihr Zorn nicht in ihm weiterleben, in einem Menschen aus Fleisch und Blut, der die Welt weit gründlicher umformen würde, als Hanish es sich erträumte?
Maeander nahm die Suche mit derselben Gründlichkeit in Angriff wie den Feldzug. Er scharte verlässliche und erfahrene sowie die besten der jungen Schlächter um sich, jene, die gegenüber eigenem und fremdem Leiden besonders abgehärtet waren. Dann führte er sie belfernd und wütend auf eine neun Jahre alte Fährte. Er segelte den Ask hinauf, ging im Binnendelta an Land, wandte sich nach Osten und durchquerte den Laubwald entlang des Methalischen Randes. Es gab keine speziellen Hinweise, die ihn hierhergeführt hätten, doch ein Großteil der Bevölkerung dieser Gegend war dem toten Akaran-König noch immer treu ergeben. Maeander suchte unter ihnen, verhörte und strafte, brannte Dörfer nieder und ließ junge Männer, deren Hochmut seinen Zorn weckte, an Händen und Füßen an Bäume nageln und mit Pfeilen spicken. Einige Zungen, von Angst gelöst, plapperten Unsinn, doch das merkte er und rächte sich für die Zeitverschwendung auf eine Weise, die man im Waldland so bald nicht vergessen würde.
Als er die Bergbarriere umrundet hatte, die Aushenia vom Mein-Plateau trennte, war er nicht klüger als zuvor. Allerdings hatte er Gefallen an seiner Aufgabe gefunden. Schon lange war er davon überzeugt, dass die Angst und der Schmerz des Opfers in direktem Verhältnis zum Vergnügen dessen standen, der sie ihm zufügte. Wenn das stimmte, hatte er reichlich Angst und Schmerz verbreitet. Das war nicht das, was Hanish von ihm verlangt hatte, doch er würde diesen Auftrag auf seine Art zu erfüllen wissen.
Aushenia war eine wogende Weite aus Feldern und Waldland mit Städten und Dörfern, die reiche Gelegenheit boten, diese Gleichung zu überprüfen. Offiziell gehörte die Provinz noch immer den Numrek, doch da die meisten von ihnen zur talayischen Küste weitergezogen waren, hatte das Gebiet wieder eine Art Teilautonomie erhalten. Mit den Numrek hatte man mehr Scherereien, als dass sie von Nutzen waren, fand Maeander. Nichts konnte man schwerer erklären als den Charakter seiner »Freunde«. Seltsam war auch, dass das Land, das bereits vor mehreren Jahren besiegt worden war, sich nicht mit der neuen Ordnung arrangieren wollte. Der Widerstand der Aushenier spross wie Unkraut aus allen Ritzen. Außerdem hatte es stets Gerüchte gegeben, in den nördlichen Wäldern hielten sich Gruppen von Exil-Acaciern versteckt, die von Ort zu Ort zögen und sich weigerten, sich mit der Wirklichkeit abzufinden. Seine Männer fielen in Aushenia ein wie Wölfe in eine Schafherde und suchten zwischen wolligen Vliesen nach acacischem Gold.
Allerdings beruhte seine Strategie nicht allein auf Brutalität. Für Wohlverhalten versprach er den Menschen Belohnungen, um sie in Versuchung zu führen, ihre alten Bindungen zu lockern – und um sich und ihnen zu beweisen, dass alles seinen Preis hatte und nichts billiger zu kaufen war als die Ehre. Einfach ausgedrückt, er ließ bekannt machen, dass er für nützliche Hinweise gut zahlen werde. »Wer mir einen Akaran ausliefert, wird mit unvorstellbaren Reichtümern belohnt«, sagte er, »und kann sich des fortdauernden Wohlwollens der Mein sicher sein. Er wird tausend Goldmünzen erhalten, eine Insel, eine Stadt oder einen Palast sowie hundert Kurtisanen nach seinem Geschmack. Überlegt es euch. Bedenkt es und trefft eine kluge Wahl.«
Diese Botschaft wurde verbreitet, und zwei Wochen lang folgte er den aussichtsreichsten Spuren. Er sandte seine Männer aus, die sich wie Quecksilber in alle Richtungen über das Land ergossen, die Bürgermeister verdächtiger Städte festnahmen und sie befragten, drohten und schmeichelten. Er legte einen Hinterhalt an der Straße, die Aushenguk mit dem Norden verband, weil dort angeblich eine Bande acacischer Aufrührer mit Waffen und Geld für einen geplanten Aufstand auftauchen sollte. Nichts von alledem wurde gefunden. Aufgrund eines Hinweises, wonach sich ein acacischer Königsspross dort versteckt halte, stürmte er ein Dorf und setzte Hütte um Hütte in Brand. Gefunden wurde nichts. Und eines Abends befahl er seinen Männern, in einen dampfenden unterirdischen Raum einzudringen, in dem sich angeblich Aliver Akaran persönlich aufhielt. Stattdessen stießen sie auf eine Numrek-Orgie, so widerlich, dass sie ihm später Albträume
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