Acacia 01 - Macht und Verrat
bescherte.
Nach Ablauf eines Monats in Aushenia war er seiner eigenen Strategie überdrüssig geworden. Für jede bauernschlaue Aussage offen zu sein, führte zu nichts. Manche Informanten waren einfach falsch unterrichtet, andere stellten aus reiner Habgier unhaltbare Behauptungen auf. Viele beriefen sich auf nicht nachprüfbare Gerüchte. Einige waren kaltblütige Lügner. In manchen Blicken meinte er verborgene Schadenfreude wahrzunehmen. Dies verdross ihn mehr als alles andere. Diese Bauern glaubten, sie könnten ihn zum Narren halten!
Als ihn schließlich eine zutreffende Kunde erreichte, entsprach sie so gar nicht Maeanders Erwartungen. Die Dienstmagd eines ehemaligen Marah-Gardisten behauptete steif und fest, ihr Herr wisse etwas über die verschwundene Königstochter Mena. Maeander versprach dem Mädchen, er werde ihr einen Speer mit rot glühender Spitze durch den Bauchnabel stoßen, sollte sie ihn anlügen. Dann würde sie von innen her gebraten. Kreidebleich und zitternd hielt das Mädchen an seiner Aussage fest.
Der ehemalige Marah war kein Soldat mehr. Aus irgendwelchen Gründen hatte er beschlossen, einen kleinen Bauernhof zu bewirtschaften, der zwischen zwei Bergrücken lag. Maeander rückte mit seinem Haufen an, unter lautem Hufgetrappel und mit klirrenden Waffen. Sie fanden den Mann auf seinem Feld. Er stand neben seinem Pferd und sah ihnen entgegen wie ein Greis in Erwartung der Todesboten. Schweigend und ohne erkennbare Gefühlsregung hörte er sich an, was sie zu sagen hatten, würdigte das Mädchen keines Blickes, sondern deutete lediglich auf seine Hütte.
In der engen, feuchten Behausung blieb Maeander stehen, während der Mann sich setzte. Sein Körperbau war in der Tat der eines Kriegers, doch von der schweren Feldarbeit war er jetzt ein wenig gebeugt. Er hatte schmale Hände, die er auf die Knie gelegt hatte, und die vorquellenden Augen eines Nebelrauchers. Als er fragte, ob er sich eine Pfeife anzünden dürfe, nickte Maeander.
Der Mann gab sich weder redselig noch verschlossen. Offenbar hatte er sein Wissen schon so lange für sich behalten, dass es ein Teil von ihm geworden war. Gleichzeitig schien es ihm nichts auszumachen, diese Bürde loszuwerden. Auf die Fragen, die ihm gestellt wurden, gab er bedächtig knappe, aufrichtige Antworten. Er sei einer der Leibwächter gewesen, die die Akaran nach dem Tod ihres Vaters nach Kidnaban gebracht hätten. Der Königsfamilie habe er nicht sonderlich nahegestanden. Er habe ungerührt zugeschaut, wie ihr Schicksal seinen Lauf genommen habe. Sein Hauptinteresse habe einem Marah gegolten, einem Offizier, den er seit langem gehasst habe und an dem er sich habe rächen wollen. Als er diesem Mann nachgestellt habe, habe er herausgefunden, dass die Kinder versteckt werden sollten. Dieser Mann, sein Feind, sei Mena Akarans persönlicher Beschützer gewesen. Er habe seinen Posten verlassen und sich heimlich an seine Fersen geheftet. Als der Mann mit einem kleinen Boot in See gestochen sei, sei er ihm zu einer Hafenstadt an der Küste des Festlands gefolgt. Dort habe der Mann eine Menge Proviant in ein anderes Boot geladen und sei davongesegelt. Abermals sei er ihm gefolgt. Er habe ihn erst eingeholt, als das Innenmeer hinter ihnen gelegen habe. Dann habe er den Mann getötet.
»Weshalb hast du den Leibwächter getötet?«
Bevor er antwortete, ließ der Bauer eine Nebelwolke aus dem Mundwinkel entweichen. »Herr, er hat meinen Vater verspottet.«
»Er hat deinen Vater verspottet?«
Der Mann nickte.
»Na schön, er hat also deinen Vater verspottet. Wie das?«
»Mein Vater stammte aus einem Dorf am Fuße des Gebirges von Nordsenival. Dieser Marah, der in Acacia geboren war, fand seinen Akzent lächerlich. Das hat er auch gesagt.«
Maeander zog erstaunt die Brauen hoch und spitzte auf für ihn ungewöhnlich belustigte Weise die Lippen. »Und das war alles? Er hat sich darüber lustig gemacht, dass dein Vater mit hartem ›G‹ gesprochen hat?«
»Da war noch etwas. Ich hatte eine Schwester …«
»Ah! Jetzt kommen wir der Sache schon näher!«
Der ehemalige Soldat warf Maeander einen schiefen Blick zu. »Es ist nicht so, wie Ihr denkt, Herr. Meine Schwester war noch ein kleines Mädchen. Sie war dick. Schon als Säugling war sie zu schwer. Als wir eines Tages auf der Straße vorbeigingen – damals war ich selbst noch ein Junge -, hat dieser Marah meine Schwester beschimpft. Er hat sie angegrunzt wie ein Schwein und zotige Gesten gemacht. Sie
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