Acacia 01 - Macht und Verrat
ließ. Allmählich wurden die Pechkugeln knapp, doch er ließ sie trotzdem einsetzen. Dafür waren sie schließlich da. Er würde sie aufbrauchen und Aliver mit einem gewaltigen Feuerhagel erledigen. Nach zweitägigem Gemetzel waren seine Truppen bestimmt erschöpft und durch Verwundungen dezimiert. Seine eigenen Kämpfer waren noch immer stark und zahlreich. Der dritte Tag würde die Entscheidung bringen.
Doch über Nacht hatte Aliver seine Truppen anscheinend verstärkt. Neue Kämpfer mussten die Gefallenen ersetzt haben. Die Armee, die die Acacier am dritten Tag ins Feld führten, wirkte kaum weniger kampfstark als am ersten. Maeander konnte nicht begreifen, wie es ihnen so rasch gelang, Verstärkungen einzugliedern, doch sie wurden noch am Tag ihres Eintreffens eingesetzt. Trotzdem kämpften sie ebenso diszipliniert und tapfer wie die Veteranen.
Und das Feuer vom Himmel? Es regnete herab, das ja, doch es richtete weniger Schaden an als an den beiden Tagen zuvor. Ein direkt getroffener Turm erbebte, brach in Flammen aus, und dann... nun, dann erlosch das Feuer, als habe ein Windstoß es erstickt. Vor Maeanders Augen fing sich das Gebilde wieder, richtete sich wieder auf. Es schwelte, es war verrußt, doch es hielt stand. Als es Abend wurde, hatte er das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Anstatt seinen Sieg zu feiern, mühte er sich ab. Er war keineswegs im Begriff zu gewinnen. Und wenn es so weiterging, würden seine Truppen am nächsten Tag zurückgetrieben werden.
Der erste Tag hatte ihn ein wenig verwirrt. Der zweite hatte ihn vor ein Rätsel gestellt. Der dritte versetzte ihn in Sorge. Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, Aliver sei vielleicht mit irgendeiner Art von Magie gesegnet. Er hatte geglaubt, so etwas gäbe es längst nicht mehr, aber gab es eine bessere Erklärung? Er konnte sich keinen anderen Reim darauf machen. Mit dieser Erkenntnis kam der erste Zweifel. Er tauchte auf wie ein Jucken am Ellenbogen, wie ein nagendes Gefühl, das er einfach nicht abschütteln konnte. Kratzte er mit Vernunft daran, so verschwand es, aber nur so lange, bis er die Fingernägel wegnahm. Dann kroch der Juckreiz erneut über seine Haut. Es gefiel ihm überhaupt nicht.
Die Numrek waren nicht gekommen. Wo steckten sie? Was für ein Spiel spielten sie? Auf die Gilde konnte er sich noch verlassen, doch es würde vier Tage dauern, bis sie die Pechvorräte wieder aufgefüllt hätte. Seinen Kämpfern stand allmählich die Sorge in den Augen. Ein Bote von Hanish war eingetroffen und verlangte einen Bericht. Er hatte den Mann allein in einem Zelt untergebracht und Wachposten davor aufgestellt.
An diesem Abend fasste er einen Entschluss. Er würde auf eine Waffe zurückgreifen, die Hanish ihn nur als allerletztes Mittel einzusetzen gebeten hatte. Diese Waffe hatte noch niemand zu Gesicht bekommen. Sie war ein Geschenk ihrer Verbündeten von jenseits der Grauen Hänge. Keine Krankheit diesmal, aber nicht minder spektakulär. Es behagte ihm nicht, ihre Geheimnisse zu offenbaren, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Doch die Lage, der sie sich gegenübersahen, so sagte Maeanders Instinkt ihm, war ein ebensolcher Notfall.
Er schlug Aliver eine zweitägige Kampfpause vor. Morgen könnten sie das Schlachtfeld räumen, die Verwundeten versorgen und am nächsten Tag die Toten ehren. Als das vereinbart war, schickte er einen Boten zu den Schiffen, die mit der geheimnisvollen Fracht an Bord im Hafen von Bocoum lagen. Die Besatzung wies er an, die Antoks an Land zu bringen und sie einsatzbereit zu machen.
60
Corinn wusste, dass dies die einzige Gelegenheit war, mit dem Gildenvertreter zu sprechen. Er war am Vorabend heimlich in Acacia eingetroffen. Sie erfuhr davon, weil sie mehrere ihrer Bediensteten – darunter natürlich keinen einzigen Mein – dazu genötigt hatte, sie über alle Vorkommnisse auf dem Laufenden zu halten. Vor ihrer bestürzenden Entdeckung, dass Hanish sie seinen Ahnen opfern wollte, hätte sie niemals versucht, die Dienerschaft auszuhorchen. Das wäre ihr unpassend erschienen, als würde sie sich erniedrigen, Schwäche zeigen. Doch sie war zu dem Schluss gelangt, dass es keine größere Demütigung gab, als tot auf einem Altar zu enden, nichts Kläglicheres, als wehrlos zur Schlachtbank geführt zu werden. Sie hatte nicht die Absicht, still aus dem Leben zu scheiden. Tatsächlich hatte sie nicht vor, überhaupt daraus zu scheiden.
Nach dem, was sie in jener seltsamen Nacht erfahren hatte, hatte sie alles
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