Acacia 02 - Die fernen Lande
damit, dass die acacische Schönheit überlegen sei, weil in ihr so viel von der Welt enthalten wäre. »Alle Vorzüge der Völker, aber keine ihrer Schwächen. Eure Schönheit, meine Königin, ist die des Mittelpunkts der Welt.«
Corinn runzelte zweifelnd die Stirn. »Tatsächlich?« Sie nahm ein Weinglas, das ihr von einem Bediensteten angeboten wurde. Grae tat es ihr gleich. »Wo ist Euer Bruder?«, fragte sie. »Ich habe gehört, dass Ihr häufig zusammen reist.«
»Das tun wir auch«, sagte Grae, »aber er studiert auf dem Festland Ackerbaumethoden. Er ist gern fleißig, mein kleiner Bruder.«
»Die Sorte kenne ich. Ihr habt Euch nahegestanden, als Ihr klein wart?«
Oh ja, bestätigte Grae. Auf Corinns Drängen erzählte er ihr ein paar Geschichten aus ihrer Jugend, als sie sich im fernen Norden von Aushenia versteckt hatten. In seinen Erzählungen hörte sich die Gegend nach einem wirklich wilden Landstrich an, doch das mochte daran liegen, dass er es sich immer noch mit den Augen eines verängstigten Kindes vorstellte. Sie konnte die Berge vor sich sehen, die dichten Wälder und die weißen Bären, die Schneestürme und die Insektenschwärme – so dicht wie Scharen von Zugvögeln.
»Aber wir konnten uns nicht ewig verstecken«, sagte Grae. »Also bin ich schließlich wieder in die Welt zurückgekehrt. Nur dass es eine Welt war, in der mein Vater und mein älterer Bruder nicht mehr lebten. Es war eine Welt, in der es in meinem Land von Fremden wimmelte, die es in Stücke rissen, ein Spielplatz für die Numrek. Grässliche Zeiten. Es ist gut, dass sie jetzt hinter uns liegen.«
»Ihr habt nicht für meinen Bruder gekämpft, oder?«
»Für Aliver?« Einen Augenblick lang sah Grae ein wenig besorgt aus, doch er gewann seine Fassung rasch zurück, und seine Antwort schien aufrichtig. »Nein. Aber ich hätte es getan. Ich hätte es voller Stolz getan. Als er seine Armee zusammengezogen hat, um in Talay die Schlacht gegen Maeander zu erzwingen, habe ich um das Überleben meines Volkes gekämpft. Ich habe gegen die restlichen Numrek gekämpft, die immer noch auf unserer Heimaterde hockten, und ich habe die Mein vertrieben und die Gradthische Lücke geschlossen. Das war eine blutige Angelegenheit, und … nun, ich würde sagen, dass wir – Aliver und ich – gemeinsame Feinde bekämpft haben, auch wenn wir es nicht zusammen getan haben.«
Corinn ging nicht auf diese letzte Feststellung ein. »Erzählt mir mehr … wenn Ihr sagt, dass Ihr gekämpft habt, was meint Ihr damit genau? Ich meine, ich habe selbst gegen Hanish gekämpft, genau hier, in Acacia, doch das heißt nicht, dass ich tatsächlich mit meiner eigenen Klinge sein Blut vergossen habe. Meine Schwester tut so etwas, aber ich nicht. Aber Ihr, wenn Ihr kämpft – kämpft Ihr dann selbst, oder gebt Ihr anderen Befehle, die dann in Eurem Namen kämpfen?«
»Die Klinge meines Schwertes ist schon lange nicht mehr jungfräulich«, sagte Grae. Corinn bemerkte ein Aufflackern unterdrückter Arroganz. »Ich habe niemals Männer in die Schlacht geschickt. Ich habe sie in die Schlacht geführt. Ich will nicht vor Euch prahlen, Euer Majestät, das wäre ungehörig. Aber Ihr könnt gern andere nach meinem Charakter befragen. Ich glaube, Ihr werdet feststellen, dass mein Ruf tadellos ist.«
Zweifellos, dachte Corinn. Und er sah auch wirklich wie ein Anführer aus. Sie konnte ihn sich gut in einer Rüstung vorstellen, wie er mit einem Schwert in der Hand andere zu tapferen Taten inspirierte. Äußerlich war er ein Mann, dem sowohl Männer wie Frauen folgen würden. Sie nahm sich vor, seinen Leumund zu überprüfen, wie er es selbst vorgeschlagen hatte.
Unter ihnen dauerte das Bankett an. Irgendwann betrat Wren den Innenhof. Corinn folgte ihr einige Zeit mit den Blicken und glaubte, um Wrens Taille herum die ersten Anzeichen der Schwangerschaft erkennen zu können; nicht so deutlich, dass die anderen es bemerken würden, doch sie waren da. Lady Wren, die heimlich Dariels Kind trug. Was hatte sie vor? Delivegu hatte erfahren, dass sie beabsichtigte, die Schwangerschaft zu verkünden, wenn der Prinz zurückgekehrt war. Du vertraust nicht darauf, dass ich darauf mit Freude reagiere, ist es das?, fragte sich Corinn. Möglicherweise bist du gerissener als ich glaube. Ich werde mir noch überlegen, was ich mit dir mache.
Verschiedene Gänge wurden auf den Tischen auf- und wieder abgetragen. Die Musiker spielten. Mehrere Male mussten Corinn und Grae ihre
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