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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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haben, was du sagst, doch sie sind die schwächsten von uns. Feiglinge. Niedriggeborene.«
    Dies hatte er gewiss laut genug gesagt, dass Calrach und Mulat es gehört haben mussten, doch keiner von beiden drehte sich um oder nahm die Bemerkung irgendwie zur Kenntnis.
    »Wir wahren Auldek wissen, dass nur eins wirklich wichtig ist: Tapferkeit in der Schlacht. Als die Lothan Aklun uns immerwährendes Leben gegeben haben, wurden wir dieser Tapferkeit beraubt. Du glaubst, das ist ein Geschenk? Die, die uns das Leben gegeben haben, haben uns die Unsterblichkeit verweigert. Haben den Tod zu etwas gemacht, das man fürchten muss. Das, Rialus Gildenmann, ist unsere Schande gewesen. Doch das hat jetzt ein Ende. Die Auldek werden in den Krieg ziehen. Wir werden im glorreichen Kampf sterben, und die Bäuche unserer Frauen werden mit neuem Leben anschwellen. Das ist Unsterblichkeit, Gildenmann. Zu sterben und dennoch weiterzuleben. Vielleicht verstehst du das nicht, aber das Ergebnis spielt keine Rolle. Hör auf, von Verhandlungen zu sprechen, von Bedingungen. Wir werden die Welt erobern, Rialus Gildenmann, oder wir werden mit dem blutigen Schwert in der Hand sterben. Beides bereitet mir Freude.«
    Und uns Verderben, dachte Rialus. Uns Verderben.
    Devoth lehnte sich wieder zurück und blickte hinunter aufs Schlachtfeld. »Wir haben dir schon viele Fragen gestellt«, sagte er. »Du hast gut geantwortet. Deinetwegen trauen wir der Geschichte, die Calrach erzählt, und glauben an den Knaben Allek. Deinetwegen werden wir uns auf diese Reise begeben. Dafür danke ich dir, aber jetzt fängt deine Arbeit erst richtig an. Du wirst uns helfen, unsere Pläne zu entwerfen. Du wirst noch viel mehr Fragen über dein Land beantworten. Schildere uns die Geographie. Zeichne uns Karten. Erzähle uns von Sitten und Gebräuchen, benenne die, die Macht haben, die Völker, denen wir begegnen werden. Du wirst uns vorbereiten, so dass uns nichts – nichts – überraschen wird. Du wirst die Dinge entdecken, die wir übersehen haben, und auch das wirst du uns sagen.« Er machte eine Pause, legte die Fingerspitzen gegeneinander und drehte sich zu Rialus um. »Habe ich recht, wenn ich sage, dass du all diese Dinge tun wirst?«
    Rialus erkannte, dass – ganz gleich, wie schlicht ihm diese Frage gestellt wurde – die Auswirkungen seiner Antwort gewaltige Knoten um Knoten um Knoten darstellten, die alle gelöst werden sollten, bevor man zu einer Antwort kam. Er wusste, dass das alles wahr war, doch er wusste auch, dass er all diese Knoten niemals würde lösen können. Es war besser, einfach zu antworten.
    Und das tat er.

36

    Dieses Botengefäß hatte Mór noch nie gesehen. Das machte sie nervös, egal, wie oft sie sich einredete, dass es keine Rolle spielte. Schließlich würde sie mit ihm über nichts Wichtiges sprechen. Er war nichts weiter als ein Gefäß, und natürlich waren Gefäße austauschbar. Nur ihr Inhalt zählte. Dennoch musste sie zunächst in die Augen eines Fremden schauen und nach einem geliebten Menschen suchen. Und das war etwas, woran sie sich niemals gewöhnt hatte.
    Sie saßen einander auf einem niedrigen Hügel gegenüber, der zu einem öden Geländestreifen zwischen zwei Mauern gehörte. Früher war hier ein Park gewesen, doch das war schon lange her. Jetzt war das Gelände verlassen, von Dornensträuchern überwuchert und die Heimat von Ratten und anderen umherhuschenden Geschöpfen. Abgesehen von den paar Wachposten, die ein Stück entfernt standen und nach einer – wenn auch unwahrscheinlichen – Patrouille der Göttlichen Kinder Ausschau hielten, waren sie allein. Sie hatten das Treffen sorgfältig geplant, um so eine Patrouille zu vermeiden.
    »Hallo, Mór Rächerin«, sagte der Mann. »Es ehrt mich, dich zu treffen, genauso, wie es mich ehrt, einen Ältesten und seine Botschaft vom Freien Volk in mir zu tragen.« Beim Sprechen neigte er den Kopf und zeigte ihr die kurzen, wenige Wochen alten Haarstoppeln; die Kopfhaut war noch darunter zu sehen, gesprenkelt mit den herzförmigen Malen des Himmelsbären. Das war ungewöhnlich, denn die Fru Nithexek waren kein großer Clan.
    Mór antwortete ihm förmlich. »Die Ehre ist auf meiner Seite. Möge dieses Gefäß niemals zerbrechen.«
    Der Mann schaute auf. Seine weit auseinanderstehenden Augen waren groß und braun und wach. Er lächelte. »Ich bin noch nicht zerbrochen, Mór Rächerin. Und auch heute werde ich nicht zerbrechen, dessen kannst du gewiss sein. Aber bevor

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