Acacia 02 - Die fernen Lande

die Gilde nur sehr zögerlich herausgerückt ist.«
    »Wenn wir unsere Informationen nur sehr vorsichtig preisgegeben haben, dann hauptsächlich deswegen, weil wir selbst so wenig wussten und immer noch wissen. Ungenaue Kunde ist keineswegs besser als gar keine. Gewiss stimmt Ihr mir doch zu?« Er hielt inne, allerdings nicht so lange, dass Corinn hätte antworten können. »Wir wissen, dass die Anderen Lande gewaltig sind. Wir wissen, dass die Auldek mächtig sind. Aber das ist auch schon alles, was wir wissen. Und wie Ihr sicherlich verstehen werdet, ist das eigentlich überhaupt kein Wissen. Daher sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es jetzt – da wir unter Eurer Führung in ein neues Zeitalter eintreten – unerlässlich ist, mehr über die Nation zu erfahren, von der wir so abhängig sind.«
    »Ihr habt Spione zu ihnen geschickt?«
    »Ganz recht.«
    »Aber bevor wir viel erfahren konnten«, fuhr Sire Neen fort, »wurde einer unserer Agenten entdeckt und gefangen genommen … und dann dazu gebracht, andere Agenten zu verraten. Mehrere wurden ergriffen und … verhört.«
    »Wie viele?«, wollte Corinn wissen.
    »Oh …« Dagon schürzte die Lippen, als sei die genaue Zahl vollkommen bedeutungslos, dann aber nannte er sie doch: »Siebenundzwanzig.«
    »Siebenundzwanzig? Seid Ihr wahnsinnig?«
    Neen strich über seine goldene Halskrause, befingerte den Delphin, der dort aufgeprägt war. »Das Gebiet ist riesig. Ein oder zwei Spione hätten uns nichts genützt. Das wäre Verschwendung gewesen und trotzdem immer noch gefährlich. Unsere Spione waren sehr gut ausgebildet, diszipliniert und sahen genauso aus wie ausgewachsene Sklaven. Wir waren alle entsetzt, als einer von ihnen gefangen genommen wurde – und noch einmal, dass er die anderen so gründlich verraten hat.«
    »Es hat den Anschein«, meinte der andere Vertreter der Gilde, »dass die Lothan Aklun sich ihrer bemächtigt haben. Sie haben sehr überzeugende Foltermethoden.«
    Corinn trommelte mit den Fingernägeln auf das harte Holz der Armlehnen. Sie wartete auf mehr. »Dann seid Ihr also beim Spionieren ertappt worden? Wie haben die Lothan Aklun reagiert?«
    »Einfach ausgedrückt«, sagte Sire Neen, »hat uns das Ganze in eine unglückliche Lage gebracht. In dieser Situation könnte – wie wir glauben – eine direkte Bitte von Euch hilfreich sein. Wir werden den beiden Parteien unsere eigenen Entschuldigungen direkt übermitteln, aber wenn Ihr fest an unserer Seite steht, während Ihr gleichzeitig Eure völlige Unschuld in dieser Angelegenheit beteuert, wird das unsere Position stärken. Die Lothan Aklun müssen begreifen, dass die Gilde und die acacische Krone zwei Finger derselben Hand sind.«
    »Ihr wollt, dass ich ihnen sage, dass Ihr meine bevorzugten Mittelsmänner seid – ist es das? Aber was ist, wenn sie bessere Bedingungen anbieten können?«
    Beide machten entgeisterte Gesichter, doch sie wusste, dass das nur vorgetäuscht war. Männer wie diese konnte nichts überraschen. »Majestät, Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was für ein Fehler das wäre«, erwiderte Sire Dagon.
    Corinn lächelte. »Warum erklärt Ihr es mir dann nicht?«
    Sire Dagon drehte die Handflächen nach oben und krümmte die langen Finger. Es war eine ziemlich befremdliche Geste, die sie immer noch nicht voll und ganz verstand. »Ihr und mehrere kommende Generationen der Akarans würdet Euer Leben mit dem Versuch vergeuden, all die vielen Verzweigungen der Doppelzüngigkeit der Lothan Aklun zu ergründen. Sie sind abscheulich, vollkommen gewissenlos, und sie würden versuchen, Euch auf jede nur erdenkliche Weise zu betrügen. Sie drängen sich auf den Inseln der Barriere und hecken neue heimtückische Pläne aus. Nur weil wir – die Gilde – uns jahrhundertelang mit all ihren Plänen befasst haben, bleiben Euch solche Dinge erspart. Nichts würde ihnen mehr gefallen, als sich an Eurer Unkenntnis ihrer Bräuche zu ergötzen.«
    »Und außerdem«, fügte Sire Neen hinzu, wobei er einmal mehr seine grässlichen Zähne zeigte, »gehören die Grauen Hänge der Gilde. Ohne uns könnt Ihr genauso wenig zu den Lothan Aklun gelangen wie sie zu Euch. Nur wir haben erfolgreich Schiffe über den großen Ozean und durch alle seine Gefahren gesteuert.«
    »Das hat man mir wieder und wieder berichtet.«
    »Wenn Ihr wollt«, sagte Sire Dagon, »könntet Ihr es selbst sehen, mit eigenen Augen. Wir haben vom Gildenrat die Erlaubnis, Euch die Überfahrt anzubieten, um die