Acacia 02 - Die fernen Lande
sie ihn wahrscheinlich am Morgen wieder nach Acacia zurückschicken. Er spürte den Verdruss wie einen echten körperlichen Schmerz, doch er atmete tief durch und fragte: »Haben wir eine besondere Botschaft für die Königin?«
Grau räusperte sich ziemlich heftig, als säße ihm etwas in der Kehle, das er loswerden wollte. Doch als er sprach, klang seine Stimme ruhig. »Verwendet die Worte, die Euch angemessen erscheinen, egal, welche. Lasst sie einfach wissen, dass die Gilde versteht, dass wir alle uns an die veränderte Situation anpassen müssen. Lasst sie wissen, dass die Gilde immer nur Handel ermöglichen wollte, der dem Wohle des Reiches dient. Dies ist nicht die Zeit, weiter mit der Quote zu handeln. Sagt ihr, dass sie unsere vollste Unterstützung hat und dass wir keinerlei Groll hegen.«
»Ihr meint, ich soll in allen Punkten lügen?«
»Natürlich«, sagte Faleen. »Welche Möglichkeit gibt es sonst, Geschäfte zu machen?«
»Keine, die ich für besser befunden hätte als unsere eigenen Methoden«, sagte Dagon. Trotz seiner Müdigkeit fühlte er sich mittlerweile deutlich besser als am Anfang. Er hätte wissen müssen, dass das der Fall sein würde. Die Zukunft sah immer heller aus, wenn er sich mit der nebligen Weisheit der ihm Gleichrangigen zusammentat.
Grau musste seine Gedanken aufgeschnappt haben, denn er sagte: »Bei einigen Dingen ändern wir uns mit den Gegebenheiten der Welt. Aber in anderer Hinsicht bleiben wir den Grundsätzen treu, die uns immer gedient haben. Ja?« Die antwortende Zustimmung füllte den Raum mit nachhallender, lärmender Begeisterung – natürlich durch den Nebel gedämpft, aber für die Verhältnisse des Rates war es geradezu tosender Beifall.
Sobald es wieder ruhiger geworden war, fügte der Oberste Älteste mit der Gewissheit, nach der sie alle lechzten, hinzu: »Die Gilde wird diesen Sturm abwettern, wie wir es immer getan haben. Das ist das, was uns immer groß gemacht hat. Deswegen werden wir jetzt gedeihen, genauso wie wir während Hanish Meins kurzer Herrschaft gediehen sind und wie wir in all den Jahren seit Tinhadins dummen Taten erfolgreich waren. Wer außer unseren Vorfahren hätte die Vision haben können, sich mit den Lothan Aklun zusammenzutun, den Zauberern, die vor Tinhadins Zorn geflohen sind, Blutsverwandte dieses Wahnsinnigen? Wer außer uns hätte die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, ihnen zu helfen, die Bekannte Welt Jahr für Jahr zu bestrafen? Wir haben angefangen, sie zu hassen, aber unsere Zusammenarbeit war nutzbringend. Wer außer uns hätte so lange geheim halten können, dass der Handel, der die Welt antrieb, das Ergebnis eines uralten Hasses zwischen Verwandten war?«
Grau kicherte. »Es wird nicht lange dauern, und die Wogen werden sich wieder glätten. Die Sonne wird die Wolken wegbrennen. Und wir werden immer noch die Herren der Welt sein. Wessen Herren wir dann sein werden, bleibt abzuwarten, genau wie wir auch erst dann werden entscheiden können, womit wir Handel treiben, aber das spielt eigentlich keine Rolle. Wir haben viele Möglichkeiten. Womit wir es hier also zu tun haben, ist eine Situation, in der sich alles ändert und in der sich gar nichts ändert. Wir werden in jeder Hinsicht profitieren. Und vergesst nicht, Brüder, unsere Leute suchen noch nach diesem Seelenfänger, von dem wir so viel gehört haben. Wenn sie ihn – und andere Hinterlassenschaften der Lothan Aklun – finden, bin ich geneigt zu glauben, dass unsere Verluste nichts weiter sein werden als Nadelstiche in der Haut eines Nashorns. Stimmt Ihr mir darin nicht zu?«
Sie waren ganz seiner Meinung.
49
Er ist für den Krieg geschaffen. Wie könnte man es sonst ausdrücken? Schaut ihn doch an! Schau ihn doch nur an …
Das dachte Rialus, als er hinter dem Häuptling der Lvin herhastete, dem Führer aller Auldek und – seit heute – dem Befehlshaber einer Invasionsarmee. Jeder von Devoths Schritten war doppelt so lang wie einer von Rialus. Seine Schultern bewegten sich beim Gehen vor und zurück, breiter und höher angesetzt als die normaler Männer, als trüge er eine maßgefertigte Rüstung. Doch was wie eine Rüstung wirkte, waren nur die natürlichen Konturen seines Körpers, seine gewaltigen, gefurchten Muskelstränge. Seine nackten Arme endeten in mächtigen Schultergelenken, die Bizepsmuskeln trat prall hervor. Sein breiter, in eng anliegendes Leder gehüllter Rücken verjüngte sich keilförmig zur Taille hin, wo er auf seine Hinterbacken
Weitere Kostenlose Bücher