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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Mädchens?«
    »Das weißt du bereits«, sagte Benabe.
    »Sie ist ein Kind zweier Nationen«, sagte Ioma. »Schau sie dir an, Kelis. Sie ist unsere Zukunft. Sie ist ein Zitterer, aber das waren andere auch schon.«
    »Nennt sie nicht Zitterer«, schnappte Benabe und strich dem Mädchen besänftigend mit den Fingern über die Schultern. »Sie hat Visionen. Sie hat Anfälle, bei denen sie zu Boden fällt, zitternd, bewusstlos, aber das ist nur das, was wir von außen zu sehen bekommen. Ihr Geist geht an einen anderen Ort – deshalb zittert sie. Sie sagt, die Steine rufen sie in diesen Augenblicken. Sie sind es, die ihren Körper besitzen und versuchen, etwas in sie hineinzutun. Du weißt, von welchen Steinen sie spricht. Hat Aliver die Santoth nicht anfangs als Steine angesehen? Er hat gesehen, wie sie sich erhoben haben und auf ihn zugekommen sind. Meine Tochter sieht das Gleiche.«
    Sangae hatte sich näher an ihn herangeschoben, jetzt beugte er sich zu ihm, als wolle er das Mädchen aus demselben Blickwinkel betrachten wie Kelis. »Was habe ich dir gesagt?«, flüsterte er. »Niemand hat dem Mädchen das erzählt; sie hat uns davon berichtet, genauso, wie sie uns ihren Namen genannt hat … Du fragst, wer ihr Vater ist, aber du kannst genauso klar wie ich sehen, wer sie ist. Welcher Mann kann das Kind seines Bruders nicht erkennen? Genau das ist sie. Und wir glauben, dass sie in Gefahr ist.«
    »Spione der Königin könnten auf sie aufmerksam werden«, sagte Ioma.
    Sinper schwieg einen Augenblick lang. Als er sprach, flüsterte er nicht. »Wir sollten das unter uns besprechen.«
    »Und warum ist das für Euch wichtig?«, fragte Kelis. Seine Stimme klang scharf von dem Unbehagen, das er bei all dem empfand. Auch dies war keine der drängenden Fragen, die er eigentlich hatte, aber es war das, was aus seinem Mund kam.
    Ioma antwortete ihm. »Weil Benabe eine Ou ist, Kelis. Shen ist meine Kusine. Ist es nicht so?«
    »Ja, Vetter.« Das Mädchen nickte. Sie musterte Kelis einen Moment lang, dann trat sie näher, streckte eine Hand aus und berührte mit den Fingerspitzen seinen Unterarm. »Ich muss gehen. Es würde mir gefallen, wenn du mit mir gehst. Das wäre gut. Sie werden mich behüten. Sie haben es versprochen, so lange du mich hinbringst.«
    Danach brachte Benabe das Mädchen hinaus. Niemand erklärte ihm, was das Kind gemeint hatte, und einige Zeit lang konnte Kelis die Worte nicht formen, um zu fragen. Den Rest des Treffens gab er sich nach außen benommen und gleichgültig und verriet durch nichts, was er dachte. Er wusste, dass die anderen sprachen, verstand vage, was sie sagten, doch bevor er sich mit irgendetwas davon auseinandersetzen konnte, musste er der Erkenntnis ins Auge sehen, was Shens Existenz bedeutete. Alivers Kind! Sie war die Erbin des acacischen Throns. Ohne einen rechtmäßigen Erben von höherem Rang könnte die Herrschaft an sie übergehen, um in ihrem Geschlecht weitervererbt zu werden, nicht in Corinns. Sie war nur ein kleines Mädchen, doch die Augen der Welt würden sie nicht so sehen. Sie war genug, um die Welt wieder in einen Krieg zu stürzen, und er, der ihr Zeuge war, hatte eine Rolle in allem, was auch immer kommen würde.
    »Was hat sie damit gemeint«, mischte Kelis sich wieder in das Gespräch ein, das ohne ihn weitergegangen war, »dass ich mit ihr gehen sollte? Mit ihr wohin?«
    »Oh …« Sangae begleitete das Wort mit einem langen Seufzer. »Ich dachte, du würdest es sofort wissen. Zu den Santoth. Sie sagt, sie rufen sie zu sich.«

17

    Es ist merkwürdig, wie das passiert ist, dachte Rialus. Er hatte es miterlebt, hatte die Veränderung ihres Loses mit angesehen, als sie stattgefunden hatte, doch irgendwie war alles eigenartig gedämpft. Es war unerwartet geschehen, ja – und Dariel hatte viel Aufhebens darum gemacht –, aber trotzdem war es auch herzlich. Es schien kaum möglich, dass der höfliche Umgang, den er und der Prinz mit Sire Neen und dem Ishtat-Inspektorat gepflegt hatten, tatsächlich dazu geführt hatte, dass sie jetzt beide Gefangene waren.
    Anders konnte man es nicht nennen. Ketten. Handschellen. Dieses merkwürdige Ding, das dem Prinzen in den Mund geschoben und festgezurrt worden war. Sie verbrachten eine lange Nacht zusammen in einer engen Kajüte, und als der neue Morgen anbrach, setzte man sie in Bewegung, ohne irgendetwas zu erklären. Ishtat-Wachen geleiteten sie – mit Schieben und Stoßen und mehr Drohungen, als die Situation

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