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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Sonnensystem. Ihre Eltern, in den
schlimmen Anfangsjahren des einundzwanzigsten Jahrhunderts
geboren, sind mit nutzlosen Raumfähren und einer Raumstation
aufgewachsen, die sich ständig nur im Kreis drehte. Und mit
Computern, die beim Ein- und Ausschalten Pieptöne von sich
gaben. Niemals wäre damals jemandem in den Sinn gekommen, die
Umlaufbahn rund um den Jupiter als einen Ort zu betrachten, zu dem
man tatsächlich vorstoßen kann – genauso wenig,
wie die Baby Boomers das Internet vorhersehen konnten.
    Die meisten Passagiere an Bord sind Eltern davongelaufen, die
immer noch glauben, Teenager gehörten in die Schule. Die
Alten kommen nicht klar mit einer Generation, deren Intelligenz
aufgrund aller möglichen Hilfsmittel so erweitert ist, dass
sie in grundsätzlicher Hinsicht um vieles schlauer ist als
die Erwachsenen in ihrem Umfeld. Bereits im Alter von sechs Jahren
kannte sich Amber in neun Sprachen bestens aus, und davon waren
nur zwei menschliche Sprachen, sechs dagegen serielle Sprachen der
Informatik. Als sie sieben war, schleppte ihre Mutter sie zum
Schulpsychiater, weil sie in synthetischen Zungen sprach. Das war
der Tropfen, der bei Amber das Fass zum Überlaufen brachte.
Sie nutzte ein nicht registriertes Handy dazu, ihren Vater
anzurufen, denn ihre Mutter hatte eine Verfügung gegen ihn
erwirkt, die ihm jeden Kontakt mit seiner Tochter untersagte.
Allerdings war es Pamela nicht in den Sinn gekommen, eine
ebensolche Verfügung gegen dessen Lebensgefährtin zu
beantragen…
     

     
    Riesige Wolkenwirbel kräuseln sich unterhalb des
Antriebsstrahls des Schiffes. Orangefarbene, braune und schmutzig
graue Streifen kriechen langsam über den aufgeblähten
Horizont des Jupiters. Die Sanger nähert sich dem
jupiternächsten Punkt, taucht tief in das tödliche
Magnetfeld des Gasriesen ein. Entlang des Schiffsrumpfs flackern
statische Entladungen auf, bilden in der Nähe der tiefvioletten
Abgaswolke, die aus den Magnetspiegeln des VASIMR-Motors des Schiffes
dringt, einen Lichtbogen. Die Plasmarakete ist auf vollen Massefluss
hochgefahren, während ihr spezifischer Impuls fast so niedrig
wie bei einer Rakete mit Nuklearantrieb ist. Auf diese Weise
produziert sie die höchstmögliche Schubleistung,
während der Flugkörper ächzend und stöhnend das
durch die Schwerkraft unterstützte Manöver
durchführt.
    Noch eine Stunde, dann wird der Antrieb abschalten und das
fliegende Waisenhaus auf Ganymed zustürzen, ehe es wieder
zurückfällt und die Richtung zur Umlaufbahn um Amalthea
einschlägt. Amalthea ist Jupiters vierter Mond, ein
Großteil der Materie im Gossamer-Ring hat hier ihren
Ursprung.
    Die Menschen an Bord sind nicht die ersten Primaten in fliegenden
Konservenbüchsen, die es bis zum Subsystem Jupiters schaffen,
zählen jedoch zu den Pionieren, die all das auf eigene Faust
durchziehen – als ein völlig privat finanziertes
Unternehmen.
    Die Computer hier draußen saugen längst überholte
Daten aus dem Meer der Informationen sozusagen durch einen Strohhalm
ein, denn Millionen Kilometer Vakuum trennen sie von den hunderten
der dürftig ausgestatteten Mikrosonden mit ihren
Mäusehirnen und den paar Dinosauriern, die die NASA oder die
Europäische Weltraumbehörde hinterlassen haben. Die
Passagiere der Sanger sind so weit vom inneren System
entfernt, dass ein Großteil der Informationsmenge, die auf dem
Schiff verarbeitet wird, nur der internen Kommunikation und
Archivierung dient. Die Neuigkeiten sind schon Kilosekunden alt, wenn
sie endlich eintreffen.
    Gemeinsam mit rund der Hälfte der wachen Passagiere sieht
Amber fasziniert dem Manövrieren der Sanger vom
Gemeinschaftsraum aus zu. Der Gemeinschaftsbereich ist ein lang
gestreckter, axialer Zylinder in der Schiffsmitte, aufblasbar und mit
doppelten Schotts versehen. Ein Großteil des Vorrats an
Flüssigwasser wird in Röhren gespeichert, die in die
Schotts eingelassen sind. Die hintere Seite ist mit einer Videoanlage
ausgestattet und zeigt in Echtzeit eine 3-D-Ansicht des Planeten, der
unter ihnen vorbeizieht. In Wirklichkeit liegt so viel Masse wie
überhaupt möglich zwischen ihnen und den Teilchen, die im
Magnetfeld Jupiters eingeschlossen sind. »Ich könnte darin
baden«, seufzt Lilly. »Stell dir nur vor, in dieses Meer
einzutauchen…« Ihr Avatar erscheint im Fenster: Auf einem
silbernen Surfboard gleitet er durch Kilometer von Vakuum.
    »Der Wind hat dich ganz schön verbrannt«, spottet
jemand: Kas. Von einer

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