Achsenbruch
Schaltkasten, aus dem ein T-förmiges Griffstück ragte. Dieselben Hände in Arbeitshandschuhen, die sich um die Griffe klammerten. Und dann wurde der Hebel nach unten gedrückt.
Schnitt.
Eine riesige Staubwolke erhob sich über der Universitätsstraße, Steine flogen durch die Gegend, aufgeregte Schreie aus dem Off. Schnitt.
»Und jetzt kommt es«, versprach Mager. »Hier, gleich neben dieser Studentenkneipe.«
»Dem Grunewald «, präzisierte Karin.
»Genau. Und das ist der Parkplatz daneben.«
»Ja«, bestätigte Karin. »Noch ohne den Aldi im Anbau.«
Die Kamera zoomte die dort abgestellten Fahrzeuge heran. Und dann schrien Mager und seine Frau gleichzeitig auf. Zwischen zwei grauen Lieferwagen stand ein blauer Magirus-Deutz.
Der zweite Montag
75
Der Morgen war wider Erwarten schön. Der Sonntagsregen hatte den Staub aus der Luft gewaschen, die Hitze war einer angenehmen Wärme gewichen, die Bäume waren grüner und die Blumen bunter als vor dem Wochenende. Und jetzt schien noch einmal die Sonne.
Diese Wetterfrösche wissen auch nicht alles, dachte Anna. In bester Laune holte sie ihr Fahrrad aus dem Keller, warf sich den bunten Rucksack über und stieg aufs Rad. Das Schuljahr war noch jung und an diesem Montag hatten sie zuerst zwei Stunden bei dieser coolen jungen Lateinlehrerin, die sie auf Anhieb so sehr mochte.
»Tschüss, Mama!«, rief sie noch, stieg auf und fuhr los.
Das erste Stück war das beschwerlichste: Auf der Wiemelhauser Straße ging es zunächst rund zweihundert Meter weit heftig bergauf, bevor sie nach links zu den Kleingärten abbiegen konnte.
Von hier aus wurde es leichter: Der plattierte Weg, der an Lauben und Gemüsebeeten vorbeiführte, neigte sich sanft in Richtung Königsallee. Dort begann die Schussfahrt zur Stadtmitte und die Strecke bis zur Kreuzung war der schönste Abschnitt. Beide Fahrbahnen wurden von einer Reihe hoher Platanen und einem breiten Radweg gesäumt. Sie würde unter diesem wunderschönen Blätterdach fahren und, wenn die Ampel auf Grün stand, bis zur Schule durchrollen.
Kurz bevor das Mädchen die Allee erreichte, sauste auf dem Radweg ein anderes Fahrrad vorbei. Tief über den Lenker gebeugt, trat ein Junge in die Pedalen. Sein rot-gelbes Shirt und die Baseballkappe auf dem Kopf leuchteten für einen Augenblick zu dem Mädchen herüber.
Mike, dachte sie in aufwallender Zärtlichkeit. Mike war der süßeste Junge ihrer Klasse und sie kannte kein Mädchen, das nicht für ihn schwärmte. Sie selbst hatte sich oft vorgestellt, wie schön es wäre, mal mit ihm ein Eis zu essen oder auf die Kirmes zu gehen. Aber Mike war nur höflich zu ihr und allen anderen Mädchen – viel mehr interessierten ihn Fußball, Skaten, die NBA und komplizierte Matheaufgaben. Dennoch wollte Anna die Erste sein, die nach dem Wochenende mit ihm gesprochen hatte.
Die Kurve am portugiesischen Restaurant war heftig und Anna bremste rechtzeitig ab. Auf der Straße selbst war wieder die Hölle los. Eine lange Kette von Lastwagen blockierte die rechte Fahrspur und die Fahrer warteten darauf, kurz vor der Unterführung zu der großen Baustelle abbiegen zu können, wo man mit Volldampf diesen Büropark weiter ausbaute.
Das Bremsmanöver hatte Annas Chancen verschlechtert, Mike noch vor der Schule einholen zu können. Er hatte einen Affenzahn drauf und bereits das vorletzte Haus vor der Baustelleneinfahrt erreicht. Das Mädchen trat trotzdem heftiger in die Pedalen. Vielleicht stand die Ampel an der Wasserstraße ja auf Rot.
Und dann passierte es.
Kurz bevor Mike die Lkw-Zufahrt erreicht hatte, setzte sich ein langer, schwerer Sattelschlepper in Bewegung. Die beiden Schüler sahen ihn erst, als er hinter der langen Baumreihe hervorkam und sich über den Radweg schob. Anna ging unwillkürlich sofort in den Rücktritt, aber was tat Mike? Auch er schien zu bremsen, aber es war viel zu spät. Sein Hinterrad brach seitwärts aus, das Rad kippte und Mike flog aufs Pflaster. Direkt vor die zwei Paar Zwillingsreifen, die den Auflieger hinten abstützten. Er konnte nicht mal mehr schreien.
Umso lauter schrie Anna. Sie sprang vom Rad, ließ den Rucksack nach hinten fallen und lief los. Mike, der süße Mike! Das konnte doch nicht sein wahr sein! Mike, du musst leben!
Fassungslos starrte sie auf das, was einmal ein vierzehnjähriger Junge gewesen war. Und von ihm weg führte eine doppelte Blutspur über das platte Fahrrad hinweg in Richtung Baustelle.
»Nein! Nein! Nein!«
Einige Lkw-Fahrer
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