Achsenbruch
haben, wenden Sie sich bitte an meinen Vorgesetzten.«
»Idi«, sagte sie und Lohkamp signalisierte ihr, dass ihm das aufgeworfene Problem völlig gleichgültig war.
»Also«, sagte sie, »die kleinen Schlüsselchen aus Korolenkos Wohnung …«
»Mach’s nicht so spannend!«, flehte Hardenberg.
»… passen zu dem Schloss an Tariks Keller!«
»Wow!«
Beide Männer brauchten erst einige Zeit, um die Neuigkeit zu verdauen. Aber die Erleichterung auf ihren Gesichtern war unübersehbar.
»Was sagt denn meine Freundin von gegenüber dazu?«, fragte Lohkamp.
»Nichts.«
»Warum? Ist sie stumm geworden?«
»Nein, aber krank.«
»Im Klartext: Sie hat kapituliert. Ist es so?«
»Keine Ahnung. Der Typ mit dem Sintflut-Vergleich hat jetzt das Sagen. Und er will Tarik noch heute Morgen rauslassen.«
»Wenn’s nicht so früh wäre«, sagte der Hauptkommissar, »würde ich ja jetzt einen Cocktail ausgeben.«
»Dürfen wir nach Feierabend auf das Angebot zurückkommen, Chef?«
Lohkamp nickte und die beiden anderen gaben sich die Fünf. Die Freude über die guten Nachrichten dauerte nicht allzu lange: Auf Lohkamps Rechner lief eine Meldung der Autobahnpolizei Thüringen ein, die in sechs dürren Zeilen mitteilte, dass Korolenko sich der drohenden Festnahme durch Selbstmord entzogen hatte.
»Mist!«, schlussfolgerte Lohkamp. »Jetzt kann sich Bleifinger herausreden und einen ganz harmlosen Auftrag erfinden, den er Korolenko geben wollte.«
»Bestell ihn doch trotzdem mal!«
»Rufst du an, Kathrin?«
Die Oberkommissarin nickte. »Und wir wollten noch klären, ob der blaue Lkw in Hamburg angekommen ist.«
Hardenberg griff sofort zum Telefon. Er musste sich erst bei mehreren Stellen im Hamburger Hafen durchfragen, bis sich endlich jemand mit dem Zusatz ›Hafenmuseum‹ meldete und der lange Kommissar sein Anliegen vortragen konnte.
»Ja«, sagte der Museumsmann, »der blaue Transporter sollte am vorletzten Samstag gebracht werden. Wir haben früher mehrere dieser Wagen im Hafen eingesetzt.«
»Aber?«
»Am Samstagnachmittag meldete sich jemand und sagte, der Wagen hätte unterwegs einen Motorschaden erlitten. Man werde sich wieder melden. Aber bis jetzt haben wir noch nichts Neues gehört.«
»Wer hat denn angerufen? Haben Sie den Namen verstanden?«
»Irgendetwas mit -enko am Ende. Tiefe Stimme, slawischer Akzent.«
»Vielen Dank. Sie haben uns sehr geholfen.«
Hardenberg legte auf: »Korolenko hat seinen Boss ausgetrickst.«
»Dann hat Lurich sich also auch weitgehend an die Wahrheit gehalten.«
»Jetzt bin ich gespannt, wie Bleifinger sich herauslügt.«
Bleifinger selbst tat gar nichts. Spät am Nachmittag kam einer der Bochumer Anwälte, die sich wohl weniger um die Wahrheit bemühten, als darum, ihre Honorarvorstellungen nach und nach auf USA-Niveau hochzuschrauben. Er verlangte zunächst die Ermittlungsakte und studierte ausführlich, wozu man seinen Mandanten befragen wollte. Dann sagte er: »Ich glaube kaum, dass Herr Bleifinger wegen dieses vagen Verdachts einer polizeilichen Ladung folgen wird. Und ich bin sicher, dass es für diesen mysteriösen Anruf eine harmlose Erklärung gibt. Ich schicke Sie Ihnen zu, sobald ich sie habe. Guten Tag auch!«
»Aalglatt, der Typ«, ärgerte sich Klemm.
»Stimmt. Aber mit solchen Leuten wirst du immer wieder zu tun haben – ein ganzes Polizistenleben lang.«
»Viel schlimmer ist, dass wir nicht mehr erfahren werden, was Bleifinger wirklich von Korolenko wollte.«
»Das ist doch klar«, meinte Lohkamp. »Wir werden es aber nicht beweisen können. Und was mich noch interessieren würde: Wieso hat Dorn so lange gewartet, bis sie Tariks Keller durchsuchen ließ? Und wieso konnte Bleifinger diese Frist nutzen, um das Dynamit deponieren zu lassen?«
Klemm griff nach ihrer Jacke: »Chef, ich habe einen Zeugen!«
»Wofür?«
»Dafür, dass jemand einen Cocktail ausgeben wollte. Und nach dem dritten oder vierten Glas machen wir Brainstorming. Jede Wette: Dann fällt uns ein, was Dorn und Bleifinger miteinander zu tun haben.«
Der zweite Freitag
87
»Ins Haus am Park? «, staunte Susanne. »Habt ihr im Lotto gewonnen?«
Karins Wangen nahmen die Farbe ihrer Haare an: »Ich habe doch zum Geburtstag von meinen Eltern einen Gutschein bekommen. Zweihundert Euro.«
»Trotzdem: Lest die Speisekarte lieber von rechts nach links und nehmt einen Hunderter mehr mit. Für zwei Personen …«
»Wir sind zu viert«, hauchte Karin. Es war ihr jetzt schon richtig
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