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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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Bochum.
    »Endlich!«, stöhnte Kalle. »Können wir jetzt irgendwo etwas Kaltes trinken?«
    Susanne enttäuschte seine Hoffnungen: »Besser, wir gehen rein, solange bei den Büromiezen der Schock über den Überfall noch frisch ist. Wenn sie erst mal zum Nachdenken kommen …«
    Die Frau, die ihnen die Tür öffnete, war alles andere als eine Büromieze, sondern eher der mütterliche Typ, der den Chefs pünktlich den Gesundheitstee bringt und sie an die Tropfen gegen Bluthochdruck erinnert. Angesichts des Trauerfalls hatte sie ihr kleines Schwarzes angelegt und ihren verheulten Augen sah man eine schlaflose Nacht an.
    »Ja, bitte?«
    »Susanne Ledig, WDR. Wir arbeiten für die Aktuelle Stunde «, erwiderte die Chefin, während Mager die Kamera am langen Arm heimlich mitlaufen ließ. »Wir würden Sie gerne interviewen. Für ein Porträt Ihres Chefs. Ich finde, seine Lebensleistung sollte gewürdigt werden. Das liegt doch sicher auch in Ihrem Interesse, Frau …?«
    »Schelp«, ergänzte die Sekretärin. Sie schwankte ein paar Herzschläge lang, während ihre Augen sich erneut mit Tränen füllten. Dann ließ sie das Team ein: »Kommen Sie und gucken Sie sich an, wie die Polizei hier gehaust hat. Es ist eine Schande. Ich …«
    Der Klingelton eines Telefons unterbrach sie und sie verschwand hinter der nächsten Tür. Dann hörte das Team, wie Schelp einem Anrufer vom Ableben ihres Chefs berichtete. Es hörte sich nicht so an, als wäre sie nach drei Sätzen fertig.
    Mager sah sich um. Die Kanzlei bestand, soweit er auf die Schnelle feststellen konnte, aus drei Räumen: Zur Straßenseite lag rechts das Sekretariat, in dem Frau Schelp verschwunden war, und am Ende des kleinen Flurs gab es ein Wartezimmer, während Beißners Büro sich auf der Rückseite über die ganze Breite des Hauses erstreckte.
    »Mach!«, flüsterte Susanne und der Bärtige ließ die Kamera durch den Raum wandern. Ein wuchtiger Schreibtisch, auf dem man offenbar den Inhalt der Schubladen ausgekippt und durchwühlt hatte, zwei umgekippte Aktenböcke, eine kleine Sitzecke mit drei Sesseln, die jetzt mit zerfledderten Akten bedeckt waren, dahinter mehrere massive Regale. Die Reihen mit der Fachliteratur waren noch gut gefüllt, aber die hohen Fächer für die Akten standen leer – was Dorns Truppe nicht mitgenommen hatte, lag auf dem Teppich verstreut.
    Schelp kam aus ihrem Vorzimmer zurück: »Ja, filmen Sie das nur. Die Computer haben sie auch rausgeschleppt. Als hätte das alles kein Geld gekostet!«
    Sie wies auf ein paar Kabel, die man achtlos aus dem Rechner gezogen und auf den Boden geworfen hatte.
    »Haben Sie niemanden um Hilfe bitten können? Sie hatten doch das Recht, Zeugen hinzuzuziehen.«
    »Wen denn? Die Mieterin ganz oben ist im Urlaub. Und im ersten Stock liegt die Wohnung des Chefs.«
    »Ich dachte, Herr Beißner hätte in Bochum gewohnt.«
    »Ja, schon. Aber sein Hauptwohnsitz ist noch hier. Eine Fluchtburg, sagte er immer.«
    »Wie kommt es«, fragte Mager dazwischen, »dass die Beamten vorhin nicht auch die Privatwohnung durchsucht haben?«
    Ein verschmitztes Lächeln huschte über Schelps Gesicht: »Sie wussten wohl nichts davon. Und ich habe ihnen auch nichts gesagt. Sonst hätten sie oben auch solch ein Chaos angerichtet.«
    Susanne Ledig zog das Gespräch wieder an sich: »Haben Sie gesehen, was für Akten sie mitgenommen haben?«
    »Kann ich so nicht sagen. Ich muss erst aufräumen. Dann weiß ich, was fehlt.«
    »Was geschieht eigentlich mit den übrigen Akten? Und den unerledigten Fällen?«
    Die Sekretärin überlegte einen Moment: »Das macht … Darum kümmert sich die Anwaltskammer. Die werden einen Abwickler bestimmen, der die Kanzlei auflöst.«
    Unglücklich stand die Sekretärin in dem verwüsteten Raum.
    »Dürfen wir Ihnen noch zwei oder drei Fragen stellen?«
    Schelp seufzte: »Wenn’s sein muss. Aber lassen Sie uns nach vorn gehen. Da sieht es nicht ganz so schlimm aus.«
    Sie führte die Truppe in ihr eigenes Büro. Der Schreibtisch war so leer gefegt, als fielen in der Kanzlei überhaupt keine Schreibarbeiten an: »Die haben alle aktuellen Vorgänge mitgenommen.«
    »Vielleicht vermuten die, dass Ihr Chef bedroht wurde. Gab es so etwas?«
    »Unsinn. Die gesamte Post geht über meinen Schreibtisch. Drohbriefe habe ich nie gesehen. Das kommt vielleicht mal bei Kriminellen vor. Aber der Chef hat schon lange keine Strafprozesse mehr geführt.«
    Während Susanne die Frau noch weiter befragte, sahen Mager und

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