Achsenbruch
wenn du mir die Firmen in Bochum und in der näheren Umgebung nennen könntest, die mit Sprengungen zu tun haben. Wäre nett, wenn die Namen der Besitzer und Geschäftsführer dabei wären.«
»Kein Problem. Solange du nicht wieder irgendwelche Kollegen verdächtigst.«
Der Stich saß. Lohkamp musste schlucken und Hösel bemerkte es mit offensichtlichem Wohlbehagen, lenkte aber sofort ein: »Ich schicke dir ’ne Mail. Aber …«
Lohkamp hatte sich schon in Richtung Tür gedreht und wandte sich wieder um: »Ja?«
»Ihr könnt da nicht so einfach reinmarschieren und einen Blick in die Bücher und Bunker verlangen.«
»Ich weiß.«
»Und so völlig auf blauen Dunst bekommst du auch keinen Passierschein vom Richter.«
»Habe ich schon mal gehört.«
»Im Ernst«, meinte Hösel und nahm endlich seine Füße vom Tisch. »Ihr könnt die Leute ja schon mal von hier aus durchleuchten. Ich hole uns in der Zwischenzeit von den richtigen Stellen grünes Licht und Spezialisten: Ordnungsamt, Gewerbeaufsicht, Steuerfahndung. Vor den Kollegen von nebenan haben sie am meisten Schiss.«
Lohkamp nickte. Die Bochumer Steuerfahndung war die effektivste aller Behörden. Pro Planstelle holten die Kollegen jährlich das Doppelte und Dreifache des Gehalts zurück in die Staatskasse.
Mithilfe einer mutigen Staatsanwältin hatten sie sogar schon einen Boss der Deutschen Post um seinen Job gebracht. Und Bochums Ärzte und Apotheker fürchteten die Jungs und Mädels aus dem Nachbarhaus mehr als ihre Schwiegermütter.
Hösel schien zu merken, dass Lohkamp anbiss: »Gut. Und wenn ich alle zusammen habe, stellen wir bei den Dynamiteros alles auf den Kopf.«
»Wir?«
»Klar doch. Meinst du, ich lasse mir das entgehen?«
Er hielt dem Hauptkommissar die Hand hin – Lohkamp schlug ein. »Wunderbar. Und dann wäre da noch etwas!«
Hösel zog unter dem Keyboard seines Computers eine Tippliste hervor: »Machste mit?«
»Um was geht’s?«
»Bundesliga. Wer der nächste Meister wird. Einsatz zehn Euro. Der Gewinner wird notfalls unter Aufsicht ausgelost und bekommt alles.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, trug er Lohkamp bereits als Nummer einundzwanzig ein. »Wer wird Meister?«
Auf Fußball hatte Lohkamp noch nie gewettet. Aber wenn er nicht mitmachte, würde Hösels Energieschub wohl bald verrauchen.
»Schalke«, sagte er.
»Nie im Leben!«, konterte der Kollege und grinste. »Läuft bei euch schon die Vorbereitung zum Jubiläum?«
»Welches?«
»In zwei Jahren seid ihr fünfzig Jahre ohne Meistertitel.«
Lohkamp ließ einen rosafarbenen Schein auf den Schreibtisch segeln und blickte in die aufgeschlagene Zeitung. BLUT beschäftigte sich mit den Transferaktionen der Ruhrgebietsvereine für die neue Bundesligasaison. Dann richtete er seine Augen auf den blau-weißen Wimpel, der hinter Hösel an der Wand hing. »Deinen VfL kannst du aber auch vergessen. Wenn ihr schon wieder eure besten Torschützen verscheuert – bin gespannt, wann ihr wieder im Amateurfußball landet.«
19
»Pegasus!« Erich Angel ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen und schaufelte dann den nächsten Happen von seinem Teller. »Da hat sich bei der Namensgebung wohl der Altsprachler durchgesetzt. Ich war ja auch mal auf diesem Elite-Dingsda hier in Bochum, am Ostring. Latein ab der Sexta. Grausam. Und zu Hause konnte mir keine Sau helfen. Mein Alter war Stahlkocher auf dem Bochumer Verein . Und ich passte damit weder den Paukern noch den Bürgersöhnchen aus dem Ehrenfeld. Bevor wir Griechisch bekamen, hatten sie mich gemeinsam wieder abserviert.«
»Willst du diese Schule deshalb auflösen?«, fragte Mager.
»Quatsch«, meinte sein Exgenosse und wischte sich mit einem altmodischen Stofftaschentuch den Schweiß von der Glatze. »Selbst Grönemeyer hat gesagt, das sei eine Scheißschule!«
Er schaute versonnen in die Runde. Das Orlando lag außerhalb des Bermuda-Dreiecks zwischen der Bochumer Innenstadt und dem einst vornehmen Anwalts- und Ärzteviertel mit dem schönen Namen Ehrenfeld. Der Ausblick war alles andere als berauschend. Mühselig wieder aufgemotzte Beamtenwohnungen wechselten mit eilig hochgezogenen Nachkriegsbauten, die man ohne Plan und gestalterischen Ehrgeiz vor einem halben Jahrhundert aus dem Boden gestampft hatte. Und noch immer gab es in diesem Mischmasch ein paar Baulücken, die der Zweite Weltkrieg gerissen hatte.
»Trotzdem schön hier«, meinte der Ratsherr schließlich. »Hier draußen kann man gemütlich in der Sonne
Weitere Kostenlose Bücher