Achsenbruch
Unser Montagsclub. Die weiß doch nicht mal, dass es uns seit zehn Jahren gibt.«
Der Baumensch nickte: »Stimmt. Aber manchmal entscheidet sie einfach Sachen, bevor wir sie beeinflussen können.«
»Ja«, sagte Flessek. »Deshalb müssen wir sie auch loswerden. Besser heute als morgen.«
»Und am besten schon am letzten Montag?«
»Lass den Quatsch. Ich war’s nicht und ich weiß nix!«, meinte Flessek. »Absägen – ja. Gewalt – nein. Aber bei dir geht es ums nackte Geld.«
»So würde ich auch reden«, nickte der Glatzkopf. »Wenn ich wie du in vier Aufsichtsräten säße.«
Schweigend verzehrten sie ihre Mahlzeit: Flessek bevorzugte ein asiatisches Gemüsepfännchen mit zarter Hähnchenbrust, Potthoff sorgte mit einer Schweinshaxe dafür, dass er kein Gewicht verlor. Als endlich das Obst-Dessert gebracht wurde, setzte sich auch Knut Bleifinger hinzu. Leichtes Sommersakko in Oliv, Jeans und T-Shirt, locker und leger, aber jedes Stöffchen vom Feinsten und mit der Hand genäht.
»Wohl bekomm’s!«, sagte er ironisch und musterte angewidert das fettige Fleisch auf Potthoffs Teller. »Mann, wenn du so weiterfrisst, müssen wir bald einen Kranz bestellen.«
»Na und?«, schmatzte der Dicke. »Diese hundert Euro täten dir doch nicht weh. Aber ein neuer Bauamtsleiter nach deinem Geschmack – der würde richtig teuer.«
Alle drei grienten still vor sich hin, aber dann wurde der smarte Jeansträger ernst: »Wenn wir schon davon reden – wo bleibt meine Baugenehmigung für die Unistraße?«
»Irmhild und Perdita …«
»Wer?«
»Perdita Baum-Hauer von den Bunten. Im Ratsjargon schlicht ›die Axt‹. Die beiden treten auf die Bremse. Es gäbe schon genug leere Büroräume, die der Stadt keinen Pfennig an Steuern einbrächten, sondern nur kosteten. Das Argument stammt übrigens nicht von ihnen. Das haben sie von den verdammten Roten geklaut, die sich in der Ratsversammlung breitmachen.«
»Dann hat die Bombe wohl das falsche Ziel erwischt«, warf Bleifinger ein. »Rein geschäftlich gesehen.«
Potthoff lachte los, aber Flessek erstarrte und sah dem Firmenboss in die kalt lächelnden Augen.
»Was ist? Habe ich etwas Anstößiges gesagt?«
»Na ja«, begann Flessek, »wenn das ein Staatsanwalt gehört hätte …«
Der Jeansmann brauchte keine weitere Sekunde, dann lachte er laut auf: »Idioten! Wir sind doch hier nicht auf Sizilien! Alles, was ich mache, ist völlig legal. Aber wenn es unsere gemeinsame Freundin getroffen hätte, ginge es uns allen besser. So gesehen – schade.«
Mit einem Fingerschnippen beorderte er die Kellnerin zu sich, die drei Tische entfernt bediente. Sie kam prompt und war ganz Ohr. Flessek erstarb vor Neid. Bei ihm klappte das auf diese Weise nie.
»Einen doppelten Espresso bitte!« Er zündete sich einen superdünnen Zigarillo an. »Aber jetzt müssen wir wirklich überlegen, wie wir das Weib weghauen können.«
»Zurzeit haben wir leider keine Pöstchen als Staatssekretärin zu vergeben.«
»Stimmt.« Bleifinger blies eine Rauchkerze in die Luft. »Aber wem gehört denn hier die Region? Gibt es hier keine schönen Pöstchen mit gutem Lohn und wenig Stress? Chefin der Straßenbahngesellschaft? Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke? Präsidentin des Landschaftsverbandes? Lobt sie weg und alle sind zufrieden. Bringt doch mal ein bisschen Phantasie auf!«
Eine dunkle Wolke zog über das Ruhrtal und Flessek schien es zu frösteln: »Alles gut und schön. Aber wer kommt danach? Tenberge steht in den Startlöchern. Die stammt auch aus so einem linken Ortsverband und muss sich ihre Delegiertenstimmen erhalten.«
»Mein Gott, was seid ihr Angsthasen! Dann seht doch zu, dass ihr sie alle loswerdet. Wir brauchen keine von diesen Emanzen, die sich ausgerechnet in der Politik selbst verwirklichen wollen. Die gehören nicht ins Rathaus, sondern in einen Yoga-Kurs.«
Auf Flesseks Gesicht erschien ein Lächeln, als hätte ihm Bleifinger den Weg ins Paradies offenbart.
»Aber wichtiger sind im Moment die Bullen. Die wühlen zu sehr in der Politik herum. Besonders dieser Lohkamp. Hat sich schon die Tenberge vorgeknöpft. Und wenn die erst einmal redet …«
»Flenner hat ihn schon zur Sau gemacht.«
»Wer sagt das?«
»Flenner.«
»Mensch, Dieter, reden reicht nicht. Er soll ihn abziehen.«
»Geht nicht so einfach!«
Bleifinger schüttelte den Kopf: »Die Sonne hat euer Gehirn ausgetrocknet. Gönnt dem Polizeipräsidenten was Gutes. Was richtig Gutes – Freitag nach dem
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