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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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Tenberge vor Beißner kniete und etwas einsaugte, was eindeutig keine Banane war.
    »Und wo war Irmhild hier? Auch daneben? Oder hat sie den Ehemann der Akteurin auf dieselbe Art verwöhnt?«
    Auch Tenberges perfektes Make-up konnte nicht verbergen, dass sie blass geworden war. Während Susanne drei weitere Fotos mit anderen Facetten des Liebesspiels vor sie hinblätterte, kramte die Blonde in ihrem Handtäschchen und zündete mit leicht bebenden Händen eine schlanke Menthol-Zigarette an. Rauchte gierig, während sie das Verbotsschild an der Wand betrachtete, das eine durchgestrichene Zigarette zeigte. Und brauchte fast ein Dutzend Züge, bis sie wieder artikuliert sprechen konnte: »Wie kommen Sie daran?«
    »Keine Ahnung. Per E-Mail.«
    »Haben Sie noch mehr?«
    »Ja.«
    Susanne legte die ganze Palette auf den Tisch. Tenberge blättert sie durch. Ein Liebespaar beim Sex. Und nirgends war auch nur ein Schatten der OB zu sehen.
    Magers Feuerzeug unterbrach die atemlose Stille – ohne Zigarette hielt auch er es nicht aus. Außerdem fühlte er sich seit einigen Minuten verdammt unwohl: Tenberge ohne Textilien auf einem Foto zu sehen, war die eine Sache – ihr aber jetzt in dieser peinlichen Situation gegenüberzusitzen, eine ganz andere. Sie musste ahnen, dass auch er diese Aufnahmen gesehen hatte. Das machte die Sache doppelt peinlich. Der hölzerne Lehnstuhl, auf dem er saß, brannte ihm unter dem Hintern.
    Aber die Frauen beachteten ihn gar nicht. Susanne musterte die Blonde, versuchte, in ihren Reaktionen zu lesen. Ließ ihr noch Zeit, nachdem sie alle Abzüge wieder auf den Tisch gelegt hatte.
    Wie sie brütete. Wie sie die Nasenspitze verzog und die Haut in leichte Wellen legte. Wie sie die Fotos noch einmal aufnahm und sie nachdenklich zu zwei verschiedenen Päckchen häufte.
    Endlich sah sie auf: »Sie haben etwas übersehen.«
    34
    Die Alte Fähre war ein beliebtes Ausflugsziel im Bochumer Süden. An warmen Tagen bot der Biergarten des Lokals einen romantischen Ausblick auf den alten Bergfried der Burg Blankenstein, die am anderen Ufer der Ruhr hoch über dem Fluss thronte. Der Lärm, der Staub und die Müllberge der Großstadt waren weit genug entfernt, um sie für ein Weilchen vergessen zu können. Auch Obdachlose, Junkies oder lautstarke Kids mieden diesen Ort – für die einen war das Essen zu teuer, für die anderen zu gesund.
    »Endlich!« Dieter Flessek blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr, als der dicke Potthoff sich ihm gegenüber auf einen freien Sessel sinken ließ.
    »Tut mir leid!«, bekannte der Stadtbaurat und wischte sich den Schweiß von der Glatze. »Diese Hitze macht mich fertig!«
    Seine blauen Augen glitten über die anderen Gäste. Wie gewöhnlich waren mitten in der Woche mittags noch ein paar Tische frei.
    Und Flessek hatte den Platz gut gewählt: Direkt neben ihnen saß niemand und sie selbst hatten aus ihrer Ecke heraus alles im Blick.
    »Wann kommt Knut?«
    »Steckt im Stau. Wir sollen ruhig schon anfangen.«
    Als sie ihre Bestellungen aufgegeben hatten, rückte Potthoff ein Stückchen näher an seinen Fraktionschef heran. »Was Neues von Irmhild?«
    Flessek hob kurz die Hände: »Nichts Genaues. Sie sitzt wohl noch in ihrem Exil und trauert vor sich hin. Wie es aussieht, haben die Seelenklempner ein hartes Stück Arbeit vor sich.«
    Schweigen.
    »Hast du wirklich keinen Verdacht, wer hinter dem Attentat stecken könnte?«, fragte Flessek schließlich.
    »Wieso ich?«
    »Weil du auf der Abschussliste stehst. Und dein Kumpel Bleifinger ist auch nicht mehr so glücklich wie unter König Otto.«
    Einen Moment lang gaben sich beide ihren Erinnerungen an die goldenen Zeiten unter OB Trübes hin. Solange man ihm die größten Fotos im Lokalteil der Zeitung gönnte, durfte jeder sein Ding so durchziehen, wie er es wollte.
    »Irmhild schießt mich nicht ab«, versicherte Potthoff. »Sie hat doch nichts in der Hand.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja«, sagte der Glatzenmann beinahe erstaunt und behauptete: »Ich habe meine Skandälchen hinter mir. Und ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.«
    Flessek sah ihn prüfend an. War der Dicke wirklich so sicher wie er tat? Oder war das die hohe Schauspielkunst, die man in diesem Job brauchte?
    Potthoff grinste jetzt: »Aber – was ist mit dir? Für einen Fraktionschef hält sie dich ganz schön an der kurzen Leine.«
    Flesseks Gesicht rötete sich: »Das glaubt sie vielleicht. Aber wer macht bei uns wirklich die Politik?

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