Achsenbruch
Sonnenschein ihren Partner an die kurze Leine nehmen wollte – ich weiß nicht.«
»Was soll es denn sonst gewesen sein?«, fragte die Bürgermeisterin, während sie den Kaffee eingoss. Ihre Hand war dabei völlig ruhig.
»Kann es nicht sein, dass Beißner Sie erpressen wollte?«
Jetzt setzte die Blonde die Kanne auf den Tisch – vielleicht doch etwas zu heftig.
»Was können die beiden denn von Ihnen gewollt haben?«
Schweigen. Tenberge rührte in ihrer Tasse und wartete ab.
»Gemeinsam gegen Potthoff vorgehen?«
Die Frau atmete tief durch – und dann nickte sie: »Ja, wir hatten einen Deal. Ich soll ihr noch diese Amtsperiode lassen. Dann geht sie in Rente. Und wenn wir es schaffen, Potthoff und Flessek kaltzustellen, dürfte bis dahin der Weg für mich frei sein.«
Völliger Blödsinn, durchfuhr es Susanne. Ich habe sie auf die falsche Spur gebracht. Man verleiht seinen Kerl doch nicht an eine andere Frau, um sie zu erpressen. Wahrscheinlich wollte Tenberge etwas über Sonnenschein herausbekommen, um sie möglichst schnell loszuwerden.
»Und – was wird jetzt aus den Fotos? Werden Sie sie veröffentlichen?«
Susanne schob die Aufnahmen über den Tisch, doch die Bürgermeisterin lehnte ab: »Soll ich die zu Hause aufbewahren? Geht doch gar nicht.«
»Dann lassen Sie uns einen Deal machen. Sie liefern uns ein paar Informationen über Flessek und Potthoff. Wir bekommen dann ein paar schöne Reportagen über den Filz im Ruhrgebiet hin und machen Ihnen zugleich den Weg an die Spitze frei. Die Fotos bleiben bis dahin im Panzerschrank.«
Tenberge nickte düster und Susanne kam sich sehr schäbig vor.
36
Hardenbergs Wagen war von der Sonne so aufgeheizt, dass Lohkamp bereits nass geschwitzt war, als er sich angeschnallt hatte. Mit offenen Fenstern rutschten sie die Königsallee hinunter und wählten den kürzesten Weg zum Präsidium, am Landgericht und am Rathaus vorbei. Eigentlich war diese Strecke für den Durchgangsverkehr gesperrt, aber niemand wollte sich die Zwangsstopps vor den zahlreichen Ampeln auf dem Ring antun.
Während Klemm und Hardenberg ihre Beute auspackten und sortierten, setzte sich Lohkamp ans Telefon. Die Richterin war immer noch im Termin, aber die Vorzimmerdame versprach, seinen Anruf zu melden.
»Ich bitte sehr darum!«, sagte Lohkamp mit sanftem Nachdruck. Hardenberg, der gerade Sonnenscheins Rechner mit seinem eigenen Monitor verband, horchte auf: »Probleme mit de Vries?«
»Nicht direkt. Sie verhandelt wohl noch. Wenn sie danach noch mal ins Büro kommt, geht alles klar. Aber wenn sie erst zu Hause auf der Couch liegt …«
Hardenberg nickte. De Vries bekam in solchen Situationen gerne einen Hörsturz und wurde zickig.
Aber der Chef würde das schon richten. Nur Sonnenscheins Rechner gab sich störrisch. Ratlos saß er vor dem Eingabefeld für das Passwort. Irmhild? Klappte nicht. Lukas? Keine positive Reaktion. Bochum? Das war wohl auch zu einfach. Am liebsten hätte er das Miststück aus dem Fenster geworfen.
»Will er nicht?«, fragte Klemm. Hardenbergs Gesicht war Antwort genug. »Dann lass mich mal ran!«
Unwillig räumte der Kommissar seinen Platz und ließ Kathrin an die Tastatur: »Wenn Sonnenschein irgendwelche Zahlen und Sonderzeichen verwendet hat, können wir es bis Weihnachten versuchen.«
»Zahlen«, murmelte Klemm. »Welche vergisst man nicht?«
»Geburtsdatum. Geburtsjahr. Postleitzahl …«
»Und wenn sie den Namen der Omma ihrer besten Freundin deren Mann seines Wellensittichs gewählt hat?«, fragte Lohkamp und griff zum Telefon. Klemm sah ihn fassungslos an und tippte sich an die Stirn.
»Habe ich gesehen«, sagte Lohkamp. »Hundert Jahre Beförderungssperre. – Ja, Lohkamp hier. Mahlzeit auch. Ich brauche mal euren Entschlüsselungskünstler. – Mittagspause? Seit wann dürfen Beamte Pause machen? Tu mal seine Handynummer raus! – Wie? Das kostet?«
»Adresse«, sagte Klemm und tippte Charlotte51 ein. Sonnenscheins Rechner dachte noch eine Sekunde lang nach, dann lud er Beißners Gesicht auf den Monitor.
»Klasse!« Lohkamp reckte den linken Daumen hoch und brach seine Verhandlungen ab. »Sag deinem Kumpel Bescheid, dass er weiter seine Eier in der Sonne schaukeln kann. Tschüss!«
Gebannt starrte er mit den anderen auf den Bildschirm, als Klemm auf das Verzeichnis Eigene Dateien klickte. Eine lange Liste von Ordnern erschien, aber nicht eine einzige unsortierte Datei.
»Die Frau hat Sinn für Übersichtlichkeit. Aber es lohnt nicht,
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