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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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säuberlich beschriftet: Papas Schreibtisch 01, 02, Mamas Sekretär, Fotoalben.
    Lohkamp öffnete die Kiste und zog einige der Alben heraus. Viele Fotos noch in Schwarz-Weiß, die Kleidung der Abgebildeten, die Einrichtungen der Wohnungen und die Autos auf den gepflegten Straßen – alles von vorgestern. Neben ihren Eltern, damals so alt wie Lohkamp jetzt, lächelte eine künftige Oberbürgermeisterin in die Kamera. Schüchtern, ein wenig pausbäckig, von jeglichem Karrierestress noch ungezeichnet.
    Dann fand er die Fotoausrüstung, ebenfalls eingepackt, aber mit deutlich weniger Staub auf dem Kistendeckel: Stativ, Zeitschaltuhren, Objektive – und eine vor Jahrzehnten ungemein teure Hasselblad aus dem vordigitalen Zeitalter. Damit hatte Sonnenschein ihre superscharfen Tieraufnahmen gemacht. Zwischen den Fotoutensilien entdeckte Lohkamp ein Kästchen mit einem schmucken Reisewecker in zarten Pastellfarben.
    Ein letzter Streifzug durch die anderen Räume: alles sehr funktional, nichts Überflüssiges und schon gar nichts von Belang. Sorgsam löschte er das Licht und stieg die Treppen zum Obergeschoss hinauf. »Und?«
    Klemm zog die Schultern hoch und deutete auf die geöffneten Schubladen eines der beiden Schreibtische: »Unergiebig. Vor allem Büromaterial. Dazu zwei Schnellhefter mit juristischen Gutachten für Sonnenschein, drei oder vier Rechnungen für Beißner, ein paar juristische Zeitschriften. Nichts Aufregendes.«
    »Und der andere?«
    »Gehört wohl allein der OB. Viel privates Zeug. Irgendjemand hat Irmhild mal wunderschöne Liebesbriefe geschrieben. Daneben ein paar Schnellhefter mit Parteiunterlagen, aktuelle Privatpost so gut wie gar nicht.«
    »Was ist mit dem Computer?«
    »Der Monitor ist hin. Der Rechner startet zwar, aber zu sehen ist nichts.«
    »Schade.«
    »Und in dem anderen Schreibtisch?«
    Hardenberg sah auf. Er saß zwischen mehreren Aktenstapeln auf dem Boden und zog hilflos die Schultern hoch: »Haus- und Versicherungskram, Skripte aus Unizeiten, Propagandaflugblätter zu Wahlen des Studentenparlaments.«
    Lohkamp überlegte und entschied sich: »Also, was aus die-sem Jahr stammt, nehmen wir mit. Schreibt eine genau Liste.«
    »Alles ohne Genehmigung?«
    »Hole ich mir. Habe bei de Vries noch was gut.«
    Klemm schaute ihn zweifelnd an: »Diese Männerhasserin? Außerdem ist sie für das hier gar nicht zuständig.«
    Lohkamp legte den Finger auf die verschlossenen Lippen.
    »Was ist mit dem Rechner?«
    »Auch zu uns.«
    »Dorn dreht durch.«
    »Ach was«, meinte Lohkamp. »Die hat genug mit ihrer Beute aus Hattingen zu tun. Es reicht, wenn sie ihn morgen bekommt.«
    »Wir müssen das Windows-Passwort auslesen lassen«, wandte Klemm ein. »Und Dorn hat gute Leute dabei.«
    »Ich frage die Jungs von der Wirtschaftskriminalität. Die schaffen das auch. Dann haben wir mal einen kleinen Vorsprung vor dem BKA.«
    Gemeinsam schleppten sie zwei Kisten mit Papieren die Treppen hinunter. Als sie mit ihrer Last den Wagen erreichten und den Kofferraum öffneten, wurde Haggeney munter.
    »Stopp mal! Sie können doch nicht einfach was aus dem Haus holen!«
    »Wieso nicht?«
    »Wir wissen ja gar nicht, ob Sie dazu befugt sind.«
    Lohkamp ging vor Haggeney in die Hocke und sah den Kantigen an: »Weißt du noch, wer vor zwanzig Jahren dafür gesorgt hat, dass du das schöne Kamen verlassen musstest?«
    »Sie!«
    »Stimmt. Was meinst du: Würde sich deine Frau über einen weiteren Umzug freuen? Vielleicht nach Olpe? Oder Winterberg?«
    Haggeneys Kiefer mahlten und er schüttelte den Kopf.
    »Also? Dürfen wir mit diesem Zeug losfahren?«
    Der Kantige nickte.
    »Wunderbar! Und denkt an den Müll auf dem Rasen.«
    Grinsend nahm Lohkamp auf dem Beifahrersitz Platz. Als Hardenberg startete, blickte der Hauptkommissar sich noch einmal um. Die beiden Uniformierten beobachteten ihren Abzug, machten aber keine Anstalten, die Pommesschalen einzusammeln.
    Arschgeigen, dachte er.
    33
    An Lina Tenberge heranzukommen, war für PEGASUS gar nicht so einfach. Zuerst gab sich ihre eigene Sekretärin alle Mühe, Susanne Ledig am Telefon abzuwimmeln, indem sie die Anwesenheit ihrer Herrin leugnete. Auch der Hinweis auf ein angeblich geplantes Fernsehporträt lockte die Bürgermeisterin noch nicht aus der Deckung.
    »Na gut«, sagte die PEGASUS-Chefin und legte ihren besten Köder aus: »Sagen Sie Frau Tenberge, dass wir auch ohne Interview genug Material für einen TV-Clip haben. Aber wir besitzen ein paar wunderbare private

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