Achsenbruch
plötzlich vorzeitig aus Brüssel zurück und brachte ein paar Freunde zum Fußballgucken mit. Ich hasse Fußball und habe draußen auf Lukas gewartet. Konnte ihn im letzten Moment abfangen. Dass wir zu ihm gingen, war völlig ungeplant.«
»Woher wissen Sie, dass es an jenem Abend war? Sie waren doch sicher mehrfach in Beißners Wohnung.«
Tenberge lächelte schmerzlich: »Das rote Kleid auf dem Stuhl. Mein Mann hatte es mir am Wochenende davor aus Brüssel mitgebracht.«
Susanne schwankt noch immer, aber Tenberge blieb fest: »Können Sie nicht feststellen, wann die Fotos gemacht wurden? Oder wann sie auf seinem Computer gespeichert wurden?«
»Welches Spiel lief an dem Abend?«
»Moment. Das war noch vor der WM. Gegen – China? Nein, Japan. Hinterher haben sich alle noch geärgert, weil die Deutschen so schlecht gespielt haben. 1 : 1 oder 2 : 2. Weiß ich nicht mehr.«
»Und wer hat die Kamera installiert – wenn es nicht Lukas Beißner war?«
»Denken Sie mal scharf nach.«
»Der KGB? Die Stasi? Oder der Verfassungsschutz?«
»Unsinn. Irmhild!«
Susanne schüttelt den Kopf: »Für solch eine Installation muss man Ahnung haben. Und eine gute Ausrüstung. Und eine Kamera, die nicht bei jeder Aufnahme laut klickt!«
Tenberge lachte auf: »Eben. Und Irmhild hat Ahnung. Gucken Sie sich doch die Fotos in ihrem Büro an! Sie ist gelernte Fotografin und hat sich ihr Jurastudium mit Tierfotografien verdient.«
Klingt logisch, dachte Susanne.
Aber etwas stimmt nicht: »Und wie kommen Ihrer Meinung nach die Fotos auf sein Laptop? Hat sie alle Schnappschüsse gebrannt und ihm die CD geschenkt? Damit er sich das Zeug ab und zu ansehen konnte, um sich dabei … Sie wissen schon.«
Noch während des letzten Satzes schüttelte Tenberge den Kopf: »Ich glaube nicht, dass er daran Spaß haben sollte. Es war eher eine Art Drohung: Ich weiß alles von dir und habe dich in der Hand.«
»War er finanziell von ihr anhängig?«
»Nicht wirklich. Aber das wissen Sie vielleicht selbst: Wenn man sich in einer Beziehung erst einmal eingerichtet hat und das Leben geordnet ist, dann geht man nicht so einfach. Aber profitiert – ja, profitiert hat er auch. Die juristischen Gutachten, die er ihr geschrieben hat, wurden gut bezahlt. Mit den Geldern der Stadt natürlich.«
»Sie ist doch selbst Juristin«, wandte Susanne ein.
»Ja. Aber sie ist lange nicht so gut wie er. Und bei ihrem Job hat man erst recht keine Kraft mehr, noch etwas anderes zu machen. Sie brauchte ihn und er brauchte sie. Außerdem …«
Sie zögerte und rauchte eine weitere Zigarette an. Enttäuschung, Verbitterung und Hass auf den Lippen und in den Mundwinkeln.
»Außerdem wollte sie mich wohl auf Abstand halten. Mir zeigen, dass ich keine Chance auf ihren Posten habe, solange sie ihn nicht freigibt.«
Ja, das klang alles plausibel. Aber auch sehr gut zurechtgelegt. Selbst die Clinton hatte ihrem Präsidenten-Mann verziehen, obwohl die ganze Welt mitbekam, dass er aus dem Oval Office ein Oral Office gemacht hatte. Aber etwas konnte man nachprüfen.
»Warten Sie mal!«
Susanne zog ihr Handy, stand auf und wählte das PEGASUS-Büro an, noch während sie die Tür des Ladenlokals erreichte: »Karin, kannst du mal eben den Time-Code der Fotos checken? Auf Eigenschaften klicken. Ja?«
Während man sich in Dortmund an die Arbeit begab, blickte Susanne den Bürgersteig entlang in Richtung Eisdiele. Mager und Simone saßen am selben Tisch und unterhielten sich bestens. Der Bärtige konnte richtig charmant sein – wenn er wollte.
»Susanne?«, fragte die Rote.
»Immer noch dran.«
»Dienstag, 30. Mai. Abends gegen neun, halb zehn …«
»Gut. Und jetzt schau mal bei Google oder Bing nach, ob an dem Abend ein Fußballspiel war!«
Wieder vergingen zwei Minuten, dann war Karin fündig geworden: »Deutschland gegen Japan. In Leverkusen. 2 : 2.«
»Danke!«
Die Chefin drückte das Gespräch weg und klappte das Handy zu. Zumindest in diesem Punkt stimmten Tenberges Angaben. Aber alles andere? Diese filmreifen Krokodilstränchen und die Rolle der vom Leben und der Politik enttäuschten Frau – im hellen Sonnenlicht wirkte das viel billiger, als es sich in dem schummrigen Büro angehört hatte. Die hat was anderes von Beißner gewollt. Und die paar Stunden Sex waren das Bestechungsgeld …
Sie kehrte in das Wahlkreisbüro zurück, wo Tenberge inzwischen doch noch einen Kaffee gekocht hatte: »Ihre Angaben sind korrekt. Aber dass
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