Achsenbruch
Testspiel zum Beispiel.«
Potthoff dämmerte es und er lächelte: »Gute Idee. Wenn du für alles sorgst!«
»Mache ich. Und anschließend frisst er euch aus der Hand!«
35
»Was haben wir übersehen?«
Tenberge lächelte bekümmert: »Zuerst die Vorgeschichte. Dann ist das andere verständlicher.«
Mager wartete darauf, dass die Bürgermeisterin endlich Klartext redete, aber sie musste sich wohl erst noch überwinden. Jetzt griff sie unter den Tisch und zauberte einen Aschenbecher hervor, der auf einer Ablage unter der Platte geparkt war, zerdrückte die halb gerauchte Zigarette und holte Luft: »Also: Ja, Beißner und ich hatten eine Affäre.«
Im ersten Taumel und reichlich angetrunken habe sie sich sehr geschmeichelt gefühlt, dass ein so gut aussehender Mann sie begehrte. Und deswegen habe sie sogar seinem Ansinnen zugestimmt, Fotos zu machen. Drei Wochen lang sei es wild zugegangen: »Wir haben uns wie frisch verknallte Teenies gefühlt – und uns wohl auch so benommen.«
Nach den ersten Stürmen seien sie beide vernünftig geworden. Hätten nicht weiter lügen und erst recht nicht ihr altes Leben aufgeben wollen. Also hätten sie sich freundschaftlich getrennt – und Beißner habe versprochen, die Fotos zu löschen. Sie verstummte und blickte Susanne so schuldbewusst an wie ein kleines Mädchen, das seine weißen Kommunionsstrümpfe auf dem Weg zur Kirche mit Schlamm bekleckert hatte.
Susanne glaubte ihr kein Wort: »Sie sind doch sonst eine so coole und beherrschte Frau. Und dann fallen Sie plötzlich in einen solchen Taumel? Lassen sich sogar nackt fotografieren? Mit dem Mann Ihrer Konkurrentin? Ganz ohne Angst, dass Ihr eigener Mann etwas davon erfuhr?«
Tenberge schwieg. Ihr Blick schweifte kurz zu Mager hinüber und kehrte zu Susanne zurück. Lag da nicht eine stumme Bitte in den Augen?
Die PEGASUS-Chefin verstand: »Klaus, sei doch so gut und kümmere dich um Simone. Die langweilt sich vor der Eisdiele bestimmt zu Tode.« Ihr Ton war genauso klar wie die Furche über ihrer Nasenwurzel.
Mager verstand und drückte sich geradezu erleichtert aus seinem Sessel hoch. Er sammelte seine Sachen ein, nickte der Bürgermeisterin kurz zu und verschwand.
Als die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, erhob sich Tenberge. »Sorry, wir haben ja auch hier Kaffee. Möchten Sie?«
»Danke, nein«, sagte Susanne. »Später vielleicht. Lassen Sie uns lieber die Chance nutzen, unter vier Augen reden zu können.«
Die Bürgermeisterin setzte sich wieder und musste einen zweiten Anlauf nehmen: Ihr Mann sei Euro-Politiker, selten da, ihre Ehe sei sehr abgekühlt. Außerdem habe sie keine Ahnung, was er in Brüssel und Luxemburg so treibe.
»Und dann kommt so ein Charmeur wie Beißner. Lädt mich zum Essen ein. Macht Komplimente. Ist sehr zärtlich. Und erst der Sex – leidenschaftlich wie schon ewig nicht mehr. Ich war ihm total verfallen.«
Susanne wandte den Blick nicht von Tenberges Gesicht ab. Eine schöne Geschichte – warum klang sie nur so falsch?
»Verstehen Sie das nicht? Das ganze Leben bestimmen zwei politische Terminkalender, auf die man selbst keinen Einfluss mehr hat. Forderungen, Pflichten, Disziplin. Und dann begegnet man jemandem, bei dem man sich fallen lassen kann …«
Sie schluchzte auf, aber sie hatte Susanne nicht überzeugt. Wie alle anderen Berufstätigen musste sie selbst sich auch an Vorgaben halten. Einsätze, Termine, die ständigen Rechenmanöver für das Finanzamt. So war das Leben eben.
»Wie lange dauerte Ihr Verhältnis?«, fragte sie schließlich sehr sachlich.
»Sechs Wochen und einen Tag. Am 15. Juli haben wir uns getrennt.«
Solch exakte Angaben liebte Susanne. Im Gegensatz zu vielen Männern kannte auch sie die entscheidenden Daten ihres Lebens auswendig. Doch jetzt war es an der Zeit, zum Wesentlichen zurückzukommen: »Was haben wir bei den Fotos übersehen?«
Tenberge schniefte leicht und zeigte auf die beiden Stapel: »Achten Sie auf die Bettwäsche und das Ambiente. Die Fotos, auf denen ich allein zu sehen bin, sind in einem Hotel gemacht. Und alle aus verschiedenen Perspektiven. Dann die Fotos mit uns beiden: sein Schlafzimmer. Alle aus derselben Perspektive. Vermutlich mit einer Kamera, die neben dem Fernseher versteckt war. Mit einem Bewegungsmelder, der mit dem Auslöser verbunden war.«
»Die könnte er auch selbst angebracht haben.«
»Unwahrscheinlich. Wir waren an diesem Abend eigentlich bei mir verabredet. Aber dann kam mein Mann
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