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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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ein Speicherstick hätte nehmen können, und entschieden sich für die dritte oder vierte Grabreihe.
    »Der da passt!«
    Simone deutete auf einen schlichten Grabstein. Sorgsam gemeißelte Lettern verkündeten, dass Edgar Walkowiak 1925 geboren und vor vier Jahren gestorben war. Mit dem Grab selbst gingen die Hinterbliebenen nicht so sorgsam um. Fünf gelbe und blaue Stiefmütterchen welkten vor sich hin und mindestens zwei Dutzend dürre Grasbüschel lechzten nach dem nächsten Regen.
    Die beiden anderen nickten. Zwei Schlafstätten weiter ruhten hinter dem Stein zwei grüne Friedhofsvasen, die gerade nicht gebraucht wurden. Simone lieh sich eines dieser Plastikgefäße aus und lief zum nächsten Wasserhahn, um es zu füllen. Sorgsam bohrte sie das zugespitzte untere Ende in den Boden, ordnete die Blumen und ließ dabei unauffällig den hellen Speicherstick fallen.
    »Was ist da eigentlich drauf?«, fragte Susanne.
    Simone grinste: »Fotos, die wir bei unseren Recherchen in Middelburg gemacht haben. Damals, als wir den Mörder dieses Punks gesucht haben.«
    Sie säuberte ihre Hände an ihren Jeans, klopfte umständlich den Staub aus dem Stoff und dann traten alle drei in gut gespielter Andacht zwei Schritte zurück. Aus den Augenwinkeln entdeckte Susanne schräg hinter sich eine dürre Frau. Sie musste mindestens fünfundsiebzig sein. Die helle Sommerhose fand die PEGASUS-Chefin noch angemessen, aber die Bluse mit den aufgedruckten Rosen wirkte eher peinlich. In der einen Hand trug sie ein weißes Ledertäschchen, in der anderen eines dieser Friedhofsgeräte, mit denen man wahlweise Löcher buddeln oder die Erde auflockern konnte. Misstrauisch sah die Frau PEGASUS bei der Trauerarbeit zu.
    Susanne stieß Sim leicht mit dem Ellenbogen an. Die Augen der neuen Mitarbeiterin folgten dem Blick ihrer Chefin – und sie schaltete sofort. In aufwallendem Schmerz fiel sie Susanne um den Hals: »Ach, Mama, ich erinnere mich noch genau daran, wie Opa mir das schöne Puppenhaus gebaut hat.«
    »Ja«, knurrte Mager. »Aber vergiss nicht: Ich habe ihn erst ein halbes Jahr lang dazu drängeln müssen!«
    »Aber nur, weil du immer viel zu beschäftigt warst, um mir etwas Schönes zu basteln.«
    »Moment mal«, meckerte die fremde Frau los. »Wer Sie sind, weiß ich nicht. Ich habe Sie noch nie gesehen. Aber das da unten war mein Mann. Und ich weiß noch zwei Dinge: Für eine Zweitfamilie war der Kerl viel zu bequem. Und dieser Versager konnte nicht mal einen Nagel gerade in die Wand hauen!«
    38
    Mehr als zwei Stunden hatte sich Klemm durch Sonnenscheins Computer gewühlt. Die Ausbeute war mehr als dürftig. Weit über tausend Mails, zum Teil fünf oder sechs Jahre alt, mit ehemaligen oder aktuellen Freundinnen, rund achthundert Botschaften von und an Beißner, etliche Nachrichtenwechsel mit diversen Handwerkerfirmen, Meinungsaustausch mit anderen Juristen zum Cross Border Leasing , dazu etliche Urlaubsfotos aus mehreren Jahrzehnten und die Tierfotos von Expeditionen nach Afrika und Südostasien – alles übersichtlich und hierarchisch geordnet.
    »Lass mich mal«, sagte Lohkamp schließlich und klickte sich noch einmal durch das Verzeichnis Eigene Bilder . Die Dokumente intimen Beisammenseins, von denen Mager berichtet hatte, konnte er nicht entdecken.
    Als er das Gerät endlich herunterfuhr, schmerzten ihn der Rücken und die Erkenntnis, dass sie eine Menge Zeit verplempert hatten. Zwar wussten sie nun, dass man der späteren OB in der Schule den Spitznamen Schnecke verpasst hatte, und kannten alle Kosenamen, mit denen die Oberbürgermeisterin und ihr Partner sich überschüttet hatten – aber all diese Mails und Briefe waren harmlos. Selbst der Schriftverkehr über Sonnenscheins spätere Idee, Investoren aus Amiland die Bochumer Kanalisation – also flüssige Scheiße – zu verkaufen, erbrachte keinen Hinweis auf ein Attentatsmotiv. Im Gegenteil: Bis auf ein paar Abgeordnete der MüsliPartei hatten Bochums Politiker so euphorisch auf diesen Deal reagiert, als hätte man ihnen einen Goldesel geschenkt.
    »Mist, das alles«, fluchte er vor sich hin. »Und bei dir?«
    Hardenberg schüttelte den Kopf. Er hatte mindestens zwölf Telefonate geführt und immer wieder beim Straßenverkehrsamt Kennzeichen gecheckt – aber zu den durchgegebenen Buchstaben und Zahlen passte kein blauer Magirus-Deutz dieser Baureihe.
    »Chef«, meldete sich Klemm und hielt den Arm mit der Uhr hoch: »Mittag ist längst vorbei. Wenn ich nicht bald etwas

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