Achsenbruch
zu essen bekomme, kriege ich einen Schwächeanfall. Und dann müsst ihr mich zur Kantine tragen.«
»Hast Recht!«, gab Lohkamp zu und griff nach seiner Jacke mit dem Portemonnaie und den Zigaretten. »Auf geht’s!«
Gegen vier Uhr am Nachmittag kamen endlich die Fotos, die Mager ihm angekündigt hatte. Drei Mails mit dem Absender government-watch.ru saugten sich in seinen Dienst-PC und bescherten ihm insgesamt sechs kristallklare JPGs. Auf ihnen war deutlich zu erkennen, dass die Abgebildeten weder Schach noch Halma spielten. Ebenso unverkennbar waren die Gesichter der Akteure, auch wenn sie mal im Kampf um den Höhepunkt verzerrt und mal von der Erlösung verklärt waren.
Lohkamp hoffte nur, dass es niemals solche Bilder von ihm und Gabi zu sehen gab.
Er speicherte die Fotos in einem neuen Ordner mit dem Titel Beißners Kontakte ab, druckte sie auf Normalpapier aus und leitete die über einen russischen Server angekommene Mail an Dorns Rechner weiter. Dann tippte er einen halbseitigen Bericht für die Ermittlungsakte. Kaum hatte er den Text ausgedruckt, kehrte Dorns Truppe lärmend von ihrem Einsatz in Hattingen zurück. Die Geräusche auf dem Flur ließen darauf schließen, dass die Leute schwer zu tragen hatten.
Ob er mal nachsehen sollte, was sie diesmal als Beute angeschleppt hatten? Und was war eigentlich aus den festgenommenen Muslimen geworden? Zwei von Dorns Leuten hatten sie den ganzen Tag durch die Mangel gedreht, aber was bei diesem Versuch herausgekommen war, hatte ihm niemand erzählt.
Endlich raffte er sich auf, um die ›Abteilung Karlsruhe‹ zu besuchen, doch ein höfliches Klopfen stoppte ihn. Dorn schwebte herein, ein Lächeln auf dem Gesicht, und schnupperte demonstrativ in Richtung Kaffeemaschine: »Dachte ich es mir doch, dass ich hier einen Kaffee bekomme.«
»Wenn Sie schön artig sind«, meinte Lohkamp.
»Ich bin immer artig«, behauptete sie.
Er stand auf, peilte die Hygienelage in dem Besucherbecher und füllte ihn: »Zucker und Milch nehmen Sie sich bitte selbst.«
»Süßstoff reicht!«
Vorsichtig trug sie die randvolle Tasse zum Schreibtisch. Sie öffnete ihre Schultertasche und zauberte ein Päckchen Zigaretten hervor: »Was meinen Sie, können wir es riskieren?«
Wortlos kramte er aus der untersten Schublade einen Aschenbecher hervor und öffnete die Fenster gerade so weit, dass sich der Qualm mit Frischluft mischen, aber niemand von gegenüber hereinsehen konnte. Dann verschanzte er sich wieder hinter dem Schreibtisch und widerstand der Versuchung, sein eigene Fluppen zu ziehen. Er traute dem Frieden nicht.
»Ich habe in Hattingen erfahren, dass es gestern einen Einbruch in Beißners Kanzlei gegeben hat«, begann sie. »Wissen Sie schon davon?«
»Einbruch? Nein, nichts gehört. Was wurde gestohlen?«
»Das ist es ja. Offenbar nichts! Den Täter haben die Kollegen zu uns überstellt.«
Lohkamps Hände und Schultern signalisierten völlige Ahnungslosigkeit.
»Ich hätte Lust, mir den Mann noch abzugreifen. Sind Sie dabei?«
Der Hauptkommissar blickte auf die Uhr und schüttelte den Kopf: »Ich will Frau Sonnenschein noch einen Besuch abstatten.«
Sie zog die gezupften Augenbrauen hoch: »Wieso?«
Er reichte ihr den Bericht über seine heutigen Aktivitäten hinüber: »Außerdem sind per Mail noch ein paar wunderschöne Fotos gekommen. Sonnenscheins Partner und die Bürgermeisterin Tenberge in herzlicher Umarmung. Habe ich Ihnen weitergeleitet. Ich würde Sonnenschein gerne fragen, ob sie von der Affäre weiß.«
»Tun Sie das.« Dorn sah ihn an, den rechten Nasenflügel leicht gekräuselt, aber mit nicht entschlüsselbarem Blick. »Morgen früh brauche ich Sie. Wir werden die Wohnungen der Islamisten durchsuchen.«
»Das ist noch nicht geschehen? Meinen Sie, dass wir morgen noch Beweismaterial finden können?«
»Abwarten«, sagte sie lässig und drückte die Zigarette aus. »Danke für den Kaffee. Nett von Ihnen.«
Irgendwas ist im Busch, dachte Lohkamp und spürte ein leises Frösteln. Wenn sie die Fotos gesehen und die Frachtpapiere der Hattinger Kollegen für Kalle gelesen hatte, würde sie ahnen, woher die Bilder stammten. Und er war froh, dass er sein Wissen über Kalles Einbruch nicht einmal an Hardenberg und Klemm weitergegeben hatte. So leicht konnte Dorn ihm doch nicht ans Bein pinkeln. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr faltete er die ausgedruckten Nacktfotos zusammen und steckte sie in die Innentasche seiner Jacke. Dann machte er sich auf den Weg
Weitere Kostenlose Bücher