Achtung BABY!
Wochen zu früh kam. Und obwohl er keine Schuld trug, sagte er zu mir, er würde alles tun, um die Zeit zurückdrehen zu können. Bei meinen Terminen in der Schweiz stand hinter der Bühne immer ein Fahrer bereit, der mich in drei Stunden nach München gebracht hätte. Ich kann mich noch an meine Heimfahrt vom letzten Auftrittstermin in Arosa am 13. Dezember erinnern. Sofort nach der Vorstellung bin ich ins Auto und los – ohne Notfallanruf. Ich wollte kein Risiko mehr eingehen. Gudrun war sehr erleichtert, als ich ein paar Stunden später in dieser Nacht neben ihr im Bett lag. Wir waren bereit.
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Kreißsaalführung
Die Tasche war gepackt, das Auto vollgetankt, und Gudrun wollte nicht mehr schwanger sein. Sie sagte: »Man ist der gleiche Mensch im Körper einer gut genährten Sumo-Ringerin.« Einmal läutete es an unserer Tür, Gudrun sprang von der Wohnzimmercouch auf und spurtete zur Tür. Schnaufend wie eine Lok stand sie dort vor dem UPS-Mann, der sie seltsam beäugte. Gudrun erklärte mir, dass sie während einer körperlichen Betätigung oft vergesse, dass sie nicht mehr Bambi, sondern Moby Dick sei. Ich habe zu ihr gesagt, dass man noch kaum was sehe und dass es dem UPS-Mann sicher nicht aufgefallen sei, dass sie ein bisschen zugenommen habe. Wir waren relativ ruhig während dieser Tage vor dem errechneten Entbindungstermin. Zum Glück hatten wir die richtige Geburtsklinik gefunden, und das ist ebenso wichtig wie die richtige Hebamme. Das Problem ist, dass Kliniken mit gutem Ruf völlig überlaufen sind von geburtswilligen Wesen. Und so berechnet man die Chance, einen Platz in einer guten Klinik zu bekommen: Tag der Zeugung plus sieben minus fünf Wochen. Die Wahl des Krankenhauses für die Entbindung trifft man am besten kurz nach dem Poppen. Gudrun sagte sofort: »Ich glaube, heute hat es geklappt, lass uns schon mal die Klinik anrufen. Die haben eine zehnmonatige Wartezeit.«
Zehn Monate. Klingelt da was? Wenn nicht, lest einfach weiter. Den Fahrweg zur Geburtsklinik hatte ich einige Male abgefahren, um die Zeiten zu checken. Ich wollte nichts dem Zufall überlassen. Ich habe dann zusätzlich Kontakt zu einem Computerhackeraufgenommen, der mir versichert hat, er könne sich wie in dem Film »Eagle Eye« ins Netz der Münchner Verkehrsüberwachung einhacken und im Notfall alle Ampeln auf dem Weg von unserem Haus zum Krankenhaus manipulieren und auf Grün schalten.
Dann machten wir noch eine Kreißsaalführung mit. Das war ein bisschen so wie in früheren Zeiten, wenn ein Feldherr das Schlachtfeld am Abend vorher abschritt, um zu sehen, wie die Chancen stehen. Ich weiß auch nicht, was ich für eine Vorstellung davon hatte. Ein großer Raum mit einem riesigen Stapel frischer Handtücher und einem riesigen Bottich mit heißem Wasser? Oder kühle OP-Saal-Atmosphäre mit verblichenen Kinderbildern? Früher waren das Räume, wo sich auch ein ambitionierter Metzger wohlgefühlt hätte. Aber da hat sich inzwischen einiges geändert. Im Geburtszimmer stand ein überbreites gemütliches Bett mit allen möglichen Features und Stütz- und Lagerungsvariationen. Es sah aus wie ein Bett aus dem Beate-Uhse-Katalog.
»Michl, ist das nicht schön, da kannst du dann nachts neben mir liegen.«
»Äh, ja, super.«
Die Reiseleiterin sprach weiter: »Und hier in der Entbindungslandschaft stehen Ihnen zahlreiche Entbindungsmöbel zur Verfügung.«
Ich bekam einen Flash, das sah alles ein bisschen aus, als ob jemand, nachdem er das Kamasutra durchprobiert hatte, eine eigene Möbelkollektion entworfen hätte.
»Gebärhocker, Gebärstühle, Bodenmatten, Pezzi-Bälle und das Roma-Rad. In dem Roma-Rad kann man in rhythmisch schaukelnden Bewegungen Wehen veratmen.«
Jeder gute Swingerclubbesitzer würde weinen, wenn er diese Ausstattung sehen würde. Ich war auch beeindruckt von der riesigen Badewanne mit Seiteneinstieg. Obwohl mir Unterwassergeburten immer suspekt waren. Ich hätte da Angst, dass das Baby ertrinken könnte, wenn der Kopf schon raus ist, aber die Schultern noch drinstecken. Ich habe mich aber nicht getraut, die Reiseleiterin bei der Kreißsaalführung zu fragen, ob so etwaswirklich passieren könnte. Ich hatte Angst, dass alle Frauen mich blöd anschauen würden. Frauen bekommen nämlich bei dem Wort »Badewannengeburt« immer so verzückte Augen. So habe ich das später nachgegoogelt und dabei etwas wirklich Interessantes in Erfahrung gebracht. Das Baby kann nicht ertrinken, weil seine Lunge im
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