Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
Condorcet-Paradoxon tritt in derselben Form auch bei einem bekannten Knobelspiel auf, das je nach Gegend als
Ching-Chang-Chong
,
Schnick-Schnack-Schnuck
oder
Schere-Stein-Papier
bezeichnet wird. Es gibt wohl niemanden, der es in jüngeren Jahren nicht schon einmal zur Lösung eines Konflikts eingesetzt hätte. Schere schneidet Papier, Papier umhüllt Stein, Stein schleift Schere gibt die Dominanzbeziehungen wieder. Auch hier tritt ein Antitransitivitätseffekt zutage.
Transitivitätskurzschluss
Die meisten Berliner sind Deutsche.
Die meisten Deutschen leben nicht in Berlin.
Ergo: Die meisten Berliner leben nicht in Berlin.
Das Condorcet-Paradoxon widerspricht unserem Empfinden, wie Wahlen ablaufen und welcher Art Ergebnisse sie liefern sollten. Wahlsysteme sollten so funktionieren, dass der Wählerwille zu Transitivitätsbeziehungen bei Gewählten und Nichtgewählten führt. Auch der amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Kenneth J. Arrow (geb. 1921) hat Mitte des 20. Jahrhunderts bei seinen Studien zu Wahlsystemen dem Transitivitätsprinzip eine wichtige Rolle eingeräumt. Mit seinem Unmöglichkeitstheorem hat er aber bewiesen, dass es generell kein Wahlsystem geben kann, dass einer Reihe von einfachen und wünschenswerten Bedingungen genügt, wenn eine davon die geforderte Transitivität der Rangordnung der Kandidaten im Wahlergebnis ist.Wir werden auf dieses harmlos daherkommende Statement in Kapitel 10 genauer eingehen. Es birgt demokratietheoretischen Zündstoff.
Unser nächstes Beispiel zeigt gegenüber dem vorhergehenden noch einen weiteren Aspekt, der bei Nichttransitivität eintreten kann. Wir betten ihn exemplarisch in ein Turnierszenario ein: Insgesamt 9 Tennisspieler 1, 2, 3, …, 9 formieren sich auf folgende Weise zu 3 Teams A, B, C:
Team
Spieler
A
9, 4, 2
B
8, 6, 1
C
7, 5, 3
Nehmen wir zusätzlich an, die Spieler seien nach Spielstärke fortlaufend durchnummeriert: Spieler 9 ist der stärkste und 1 der schwächste Spieler. Nun tritt jeder Spieler eines jeden Teams gegen jeden Spieler aus den beiden anderen Teams an. Insgesamt besteht dieses Turnier aus 27 Begegnungen. Nehmen wir im Übrigen noch an, dass die Matches überraschungsfrei verlaufen in dem Sinn, dass bei jeder Begegnung der bessere Spieler auch gewinnt. Wenn der Staub sich gelegt hat, liegen die folgenden Mannschaftsergebnisse vor:
Team A gewinnt gegen B mit 5:4
Team B gewinnt gegen C mit 5:4
Team C gewinnt gegen A mit 5:4
Die individuellen Spielerstärken sind nach den getroffenen Annahmen transitiv: 9 siegt gegen 7 und 7 siegt gegen 3. Und: 9 siegt auch gegen 3. Diese Transitivität der Individualspielstärke vererbt sich allerdings nicht auf die Mannschaftsspielstärke. Diese aus Individualspielstärken in spezieller Weise kombinierte Größe verhält sich seltsamerweise antitransitiv.
In unserem dritten Beispiel befassen wir uns mit nichttransitiven Würfeln, die nach ihrem Erstentdecker, dem US-amerikanischenStatistiker Bradley Efron, als
Efron’sche Würfel
bezeichnet werden. Das sind in der Urversion vier Würfel A, B, C, D, deren Seiten wie in Abbildung 21 markiert sind.
Abbildung 21: Die Efron’schen Würfel A, B, C, D und ihre Augenzahlen
Man kann die Würfel in Wettkämpfen gegeneinander antreten lassen: Bei einem Spiel zweier Spieler wählt ein Spieler einen der vier Würfel aus, anschließend wählt sein Gegenspieler von den verbleibenden Würfeln ebenfalls einen aus. Dann werden beide Würfel geworfen. Wer die höhere Zahl würfelt, gewinnt. An sich kein weltbewegendes Spiel; das mathematisch Faszinierende an diesem Spiel besteht jedoch darin, dass ganz gleich, welcher Würfel zuerst gewählt wird, der Gegenspieler eine Wahlmöglichkeit hat, die ihm eine Gewinnchance von 2/3 garantiert. Der Spieler mit der zweiten Wahl ist also in der besseren Situation. Und das wiederum geht nur aufgrund globaler Nichttransitivitätseigenschaften unter den Würfeln. Diese wollen wir nun erkunden.
Wenn Spieler 1 Würfel A wählt, dann wählt Spieler 2 optimalerweise Würfel D. Eine Analyse lässt sich am einfachsten mit Hilfe von Baumdiagrammen vornehmen.
Abbildung 22: Analyse des Duells von Würfel A gegen Würfel D
Spieler 1 kann nur gewinnen, wenn er selbst eine 4 würfelt und Spieler 2 dann lediglich eine 1 würfelt. Bei Inspektion des Pfades für dieses Ereignis im Baumdiagramm wird sinnfällig: Spieler 1 gewinnt mit der Wahrscheinlichkeit 2/3 × ½ = 1/3 und Spieler 2 gewinnt mit der Restwahrscheinlichkeit 1 –
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