Achtung, Superheld! (German Edition)
seine Schläfrigkeit vertreiben wollte.
In diesem Moment beschloss Daniel, etwas auszuprobieren, etwas das leichtsinnig, aber trotzdem einen Versuch wert war.
»Mollie hat mir davon erzählt«, sagte er. »Sie sagte, ihr beiden hättet miteinander gewetteifert, um zu sehen, wer der schnellste … Flieger war.«
»Wa-was hast du gesagt?« Zum ersten Mal, seit er sich gesetzt hatte, schaute Michael Daniel in die Augen, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Es war, als schiebe sich eine Erinnerung immer weiter in den Vordergrund seines Bewusstseins, ohne wirklich greifbar zu sein.
Daniel beugte sich vor und flüsterte: »Ich weiß alles, Michael. Ich weiß, dass du geflogen bist! Sie sagen, du warst der beste Flieger aller Zeiten! Selbst Mollie sagt das. Kannst du dich nicht daran erinnern?«
Michael sprach jetzt sehr langsam, er hatte die Augen fest geschlossen.
»Ich … erinnere mich … der Wind …«
In diesem Augenblick riss er die Augen wieder auf, und er zuckte zusammen, als habe ihm jemand einen Eimer mit Eiswasser über den Kopf gegossen.
»Ich habe früher viel geträumt«, sagte er auf einmal ganz entspannt. »Ich träumte, ich könnte fliegen. Fast jede Nacht. Aber ich habe diesen Traum schon seit langer Zeit nicht mehr geträumt.«
Ohne ein weiteres Wort stand er auf und ging davon. Er ließ sein Tablett stehen und verabschiedete sich nicht von Daniel. Er schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass sie sich überhaupt unterhalten hatten. Er entfernte sich einfach langsam, verschwand in dem Gewusel der Kinder, die in der Cafeteria herumliefen. Kinder, die sich wegen anderer Jungen oder Mädchen, wegen ihrer Noten oder Eltern Sorgen machten. Kinder mit gewöhnlichen Problemen, Kinder, die wie er selbst waren.
Während er beobachtete, wie Michael in der Menge untertauchte, wusste Daniel, was er tun würde. Er hatte sich entschieden und das hatte er Michael zu verdanken.
9
Simons Geburtstag
Daniel stellte bald fest, dass Mollie in Wahrheit Folgendes meinte, als sie verkündet hatte, einen Plan zu haben: Ich hab da diese Idee, dass irgendwas passieren sollte, also leg los und sieh selbst zu, wie es funktioniert. Mollie Lee war mutig. Mollie Lee war beharrlich. Mollie Lee war jedoch nicht der Typ Mensch, der sich mit Einzelheiten aufhielt.
Zuerst einmal ging es darum, alles geheim zu halten. Daniel gefiel es nicht, Eric und Rohan anzulügen. Doch Mollie überzeugte ihn davon, dass Rohan sie beschimpfen und Eric versuchen könnte, sie daran zu hindern, wenn sie etwas über ihren Plan herausfinden würden. Wie Mollie bereits gesagt hatte, glaubten die beiden an die Regeln und gehörten nicht zu denen, die sie brechen wollten.
Also beschlossen Daniel und Mollie nach längerer Diskussion, dass die einzigen Mitwisser ihrer kleinen Verschwörung diejenigen sein sollten, die unbedingt Bescheid wissen mussten: sie beide, natürlich, und Simon. Als sie ihn schließlich in ihre Pläne einweihten, war Daniel von Simons Reaktion überrascht. Er war weit davon entfernt, Daniel dafür dankbar zu sein, dass dieser eine solche Gefahr auf sich nahm, sondern schien sich vielmehr darüber zu ärgern, dass Daniel überhaupt an der Sache beteiligt war. Er tat so, als sei es eine sehr große Unannehmlichkeit für ihn, Daniel in der Nacht vor seinem Geburtstag bei sich übernachten zu lassen, und stellte eine lächerlich große Zahl von Regeln auf: Daniel durfte in seinem Zimmer sein, er durfte aber nichts von Simons Sachen anfassen – und noch mehr Dinge in der Art. Irgendwann war Daniel so weit, die ganze Aktion abzublasen, bis ihn Mollie leise daran erinnerte, dass sie die Sache nicht nur für Simon durchzogen, sondern auch für Eric.
Mollie wollte auch irgendwas tun, aber sie beschlossen, dass sie einen Sicherheitsabstand halten musste. Sie würde in einem kleinen Zelt im Wald neben Simons Haus kampieren (ihre Eltern dachten, sie übernachtete bei Louisa). Von dort konnte sie Simons Zimmerfenster beobachten, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Jedenfalls hofften sie das. Daniel meinte, Mollie solle zu Hause bleiben, weit weg von jeglicher Gefahr, aber Mollie weigerte sich stur. Das kleine Zelt war der beste Kompromiss, auf den sie sich einigen konnten.
Daniel hingegen musste entscheiden, was er mitnehmen sollte. Und das schien eine fast unlösbare Aufgabe zu sein. Am Nachmittag vor Simons Geburtstag stand er in seinem Zimmer und starrte auf den Haufen Kram, den er auf seinem Bett ausgebreitet hatte.
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