Achtung, Superheld! (German Edition)
zurück, bevor er sich über den Boden und dann auf den Hügel – und damit auf Daniel – zubewegte.
Leider reichte Daniels Plan nur bis zu diesem Moment. Gleich würde der Shroud bei ihm sein und Daniel hatte außer seiner Taschenlampe keine anderen Waffen. Er erinnerte sich an die Begegnung an Simons Fenster und entschied sich für einen verzweifelten Trick. Er wartete, bis der Shroud nur noch knapp einen halben Meter entfernt war, dann leuchtete er ihm mit seiner Taschenlampe direkt in die Augen – oder zumindest dahin, wo seine Augen sein sollten. Doch selbst auf diese kurze Entfernung konnte Daniel keine weiteren Details erkennen. Es war, als hätte jemand eine Hülle aus Schatten geschaffen und ihr eine Form gegeben. Nur das ekelhafte grüne Herz durchbrach die Schwärze.
Wie schon einmal, schien das Aufblitzen von Licht den Shroud zögern zu lassen, er verlangsamte seinen Angriff und zog sich sogar ein wenig zurück. Doch Daniels Taschenlampe war eben nur eine Taschenlampe. Bei seinem zweiten Vorstoß tauchte das Wesen schnell nach rechts weg und vermied so, vom direkten Lichtstrahl erfasst zu werden. In einer einzigen fließenden Bewegung schlug ihm der Shroud die Lampe aus der Hand, und Daniel konnte nichts weiter tun, als zuzusehen, wie sie den felsigen Hang herunterkullerte. Sein Atem stockte, als lange Schattenfinger zum Vorschein kamen, die sich zu beiden Seiten des Schattens bogen und zu Krallen krümmten.
Doch zu seiner Überraschung ging der Shroud mit diesen Krallen nicht auf ihn los. Stattdessen stand er still, und Daniel merkte, dass er ihn anstarrte, auch wenn er die Augen des Monsters nicht erkennen konnte.
»So ein kluger Junge. So klug und so tapfer für einen, der so schwach ist. So zart und so … verletzlich.«
Der Shroud deutete auf Daniels gebrochenen Arm. Wieder ging ihm die krächzende Stimme durch und durch und die Haare in seinem Nacken stellten sich auf. Etwas an der Tonhöhe und dem Klang ließ alles in ihm nur noch »Lauf weg!« schreien. Doch er blieb stehen. Auch wenn er versuchte zu fliehen, würde der Shroud ihn dennoch ohne jeden Zweifel überwältigen.
»Sie … Sie haben recht. Ich bin keiner von ihnen.« Daniels Stimme hatte den lauten Klang von vorhin verloren. Er konnte die Angst, die er fühlte, nicht mehr verdecken.
»Wer bist du dann?«
»Ich … ich bin nur ein Junge.«
»Tja, da irrst du dich.«
Daniel spürte einen Windstoß, und das Nächste, was er bemerkte, war, dass es ihn von den Füßen riss und er in die Luft gezerrt wurde. Jemand hielt ihn fest und dieser Jemand war Mollie.
»Wir hauen ab!«, rief sie. »Halt dich fest!«
Er schlang seinen gesunden Arm um sie und beobachtete, wie sich der Boden unter ihnen entfernte. Mollies Gesicht war rot und die Adern in ihren Schläfen schwollen vor Anstrengung. Doch reines Adrenalin gab ihr die Kraft, die sie jetzt brauchte. Daniel blickte nach unten und zwang sich zu ein paar unbeschwerten Gedanken.
Sie hatten die Baumgrenze hinter sich gelassen, und Mollie wollte gerade Kurs auf Noble’s Green nehmen, als Daniel das Wesen zwischen den Bäumen aufsteigen sah. Der Shroud hatte die Verfolgung aufgenommen und er holte auf. Normalerweise hätte Daniel nicht daran gezweifelt, dass Mollie ihn abhängen konnte, doch durch sein zusätzliches Gewicht verringerte sich ihr Vorsprung.
Das hatte auch Mollie bemerkt. Ohne jede Vorwarnung änderte sie die Richtung und flog nach oben – steil nach oben.
»Wo willst du hin?«, brüllte Daniel, wobei seine Stimme kaum den Wind übertönte.
»Ein alter Trick von Michael! Halt dich fest!« Mit diesen Worten beschleunigte sie und flog auf eine tief hängende Wolkenbank zu, die den Gipfel des Mount Noble umgab.
Der Shroud war dicht hinter ihnen, als sie die Wolken erreichten. Der Nachthimmel verschwand in dem dunklen Nebel, und Daniel spürte, wie ihm kleine Geschosse aus Regentropfen ins Gesicht schlugen und die Luft kalt wurde.
Sie drehten sich, überschlugen sich, änderten die Richtung, doch Daniel war jetzt zu verwirrt, um sagen zu können, ob es Absicht war oder ob Mollie einfach die Orientierung verloren hatte. Sie flogen blind, und Daniel fragte sich sogar, ob sie überhaupt wusste, wo oben und unten war.
Wie aus dem Nichts tauchte der Shroud auf. In der einen Sekunde waren sie noch allein im dichten Nebel gewesen, in der nächsten versperrte ihnen das Wesen den Weg. Glücklicherweise schien er genauso erschrocken zu sein wie sie und zögerte für eine
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