Achtung, Superheld! (German Edition)
war überrascht, ein fremdes Mädchen hinter dem Fliegengitter stehen zu sehen. Sie trug ein dunkles Kleid mit einem Spitzenkragen und eine weiße Strumpfhose. Ihre Haare waren zu Zöpfen geflochten.
»Bist du eine meiner Cousinen?«, fragte Daniel.
»Bist du ein Idiot ?«, fuhr ihn das Mädchen an.
Daniel schaute genauer hin.
»M-Mollie?«
Mollie trat auf die Veranda und knallte die Tür hinter sich zu. Sie setzte sich neben Daniel auf die Stufen und glättete ihren Rock, während sie gleichzeitig an ihrer Strumpfhose zupfte.
»Ich hab dich nicht erkannt. In dem Kleid und mit der Frisur …«
»Kein.Wort.Mehr.«
Daniel sagte nichts, aber er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es war das erste Mal seit Tagen, dass er lächelte.
»Mom und Dad sind drinnen und reden mit deinen Eltern. Sie haben einen Auflauf mitgebracht und mir gesagt, ich soll dich fragen, ob du was essen willst.«
Daniel verdrehte die Augen. »Nein danke.«
»Rohan ist auch hier, aber eine Frau hat ihn sich gekrallt und kneift ihn andauernd in die Wangen.«
»Das ist wohl Flora, die Großtante meiner Mom. Sie hat keine eigenen Kinder und, na ja … ich hab die Flora-Behandlung auch schon bekommen.« Daniel rieb sich die linke Wange. Sie war immer noch rot.
»Hm. Geht’s dir gut?«
»Mir geht’s gut«, antwortete Daniel. Dann saßen sie eine Weile lang da und sahen Georgie und seinem Lastwagen zu.
Schließlich stieß Rohan zu ihnen. Er trug ein schicke kleine Fliege und einen dunklen Anzug, dessen Ärmel zu lang waren.
»Jemand muss diese Frau stoppen«, sagte er und versuchte, durch Rubbeln wieder Gefühl in seine Wangen zu kriegen. »Sie hat Glück, dass ich nicht superstark bin.«
Eine Zeit lang saßen sie nun zu dritt auf der Veranda und redeten über nichts Besonderes. Daniel hatte gehofft, dass die Leute müde werden und früh nach Hause gehen würden, doch stattdessen schwoll der Lärm drinnen immer weiter an. Andauernd tauchten neue Leute auf, und er war froh, dass sie noch nicht bis in den Garten vorgedrungen waren.
Irgendwann wandte sich ihr Gespräch der Nacht im Steinbruch zu. Daniel konnte kaum glauben, dass dies alles erst vor drei Nächten passiert war – für ihn schien es ein Ereignis aus einem völlig anderen Leben zu sein. Aus dem Leben von jemand anderem.
Mollie hatte Rohan schon vom Shroud und der Höhle mit der Tür aus Stein erzählt, doch nun war die Gelegenheit da, ihm weitere Einzelheiten zu berichten. Mollie ging ihr gemeinsames Abenteuer komplett durch, Stück für Stück, während Daniel schweigend danebensaß und an der abblätternden Farbe der Veranda herumkratzte. Ab und zu fragte ihn Mollie, ob sie eine bestimmte Kleinigkeit richtig wiedergegeben hatte, und dann nickte er oder ergänzte etwas. Doch es war eine Geschichte, an der Daniel nicht mehr teilhaben wollte, selbst wenn es nur um das Erzählen der Erlebnisse ging. Seine Gedanken waren bei Gram. Er hatte mehr Zeit mit ihr verbringen wollen, doch es schien immer etwas anderes zu geben, was getan werden musste. Seine Freunde, seine mit Superkräften beschenkten Freunde, hatten ihn gebraucht, während seine Großmutter schwächer und schwächer wurde. Daniel hatte seine Prioritäten gesetzt und diese hatten sich als falsch erwiesen.
»Tja«, sagte Rohan, als Mollie fertig war. »Ich denke, damit ist es entschieden. Wir müssen es Eric sagen.«
Mollie erwiderte nichts, sondern blickte stattdessen zu Daniel.
»Was ist?«, fragte er. »Ihr könnt tun, was immer ihr wollt.«
»Ja«, sagte Mollie. »Das weiß ich. Ich möchte aber wissen, was du denkst.«
»Ich denke, dass ich nicht weiter über all das nachdenken möchte.«
»Daniel hat recht«, sagte Rohan. »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für Entscheidungen.«
»Nein, du hast mich nicht verstanden«, antwortete Daniel und drehte sich um, damit er sie beide ansehen konnte. »Ich meine, dass ich nie wieder über all das nachdenken möchte. Eigentlich war es nie meine Angelegenheit. Ich kann nicht fliegen. Ich kann keine Krater auf dem Mond sehen, und wenn ich an meinem dreizehnten Geburtstag aufwache, bin ich derselbe wie am Tag zuvor – nämlich ein gewöhnlicher Junge.«
»Daniel«, fing Rohan an, doch Daniel ließ ihn nicht ausreden. Er stand auf und nahm Georgie auf den Arm. Georgie fing an zu weinen und griff nach seinem Spielzeuglaster, doch Daniel beachtete ihn nicht. Er trug ihn die Stufen rauf und ins Haus hinein. In der Tür blieb er stehen und blickte noch mal
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