Achtung, Superheld! (German Edition)
Besuch kommt.«
Daniel griff nach seinem Rucksack und zog den Reißverschluss auf. Plunkett rührte sich nicht, aber er beobachtete Daniel mit misstrauischer Spannung.
Daniel ließ die Comics aus dem Baumhaus vor Plunkett auf den Boden fallen. Dann warf er die Zeichnungen des alten Mannes daneben.
»Sie können jetzt gehen, Angie«, sagte Plunkett, die Augen nur auf die vor ihm liegenden Skizzen gerichtet. »Danke.«
Angie warf Daniel einen vernichtenden Blick zu, drehte sich auf dem Absatz um und marschierte davon.
»Ich weiß Bescheid, Plunkett«, sagte Daniel, als sie verschwunden war. »Und ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass es vorbei ist. Ich spiele Ihr dummes Spiel nicht mehr mit.«
Plunkett schwieg für einen Moment. Dann schaute er an Daniel vorbei auf die offene Tür zum Flur. »Mach die Tür zu«, murmelte er.
Die Tür bestand überwiegend aus Glas, sodass man von draußen alles, was im Lesezimmer vor sich ging, sehen konnte. Dennoch fühlte sich Daniel nicht wohl dabei, seinen einzigen Fluchtweg zu verschließen. Trotzdem tat er, was Plunkett befohlen hatte. Schließlich war er hergekommen, um die Angriffe für immer zu beenden.
»Lassen wir nun also alle Masken fallen?«, seufzte der alte Mann. »Du hörst auf, mir den naiven Comicliebhaber vorzuspielen, und ich gebe nicht mehr den närrischen Tattergreis? Schön. Das macht alles viel einfacher.«
Mit einem resignierten Ächzen zog sich Plunkett aus seinem Sessel hoch. »Auch, wenn mein Verstand noch nicht mürbe ist, bei meinem Körper verhält es sich leider so. Ich sage dir, Junge, es ist eine Last, alt zu werden.«
Er schlurfte zum Teewagen, der neben dem Erkerfenster stand. »Lust auf eine Tasse Tee?«, fragte er.
Daniel antwortete nicht.
Plunkett winselte vor Schmerz, als seine Knochen knirschten, und seine Hand zitterte leicht, während er sich bemühte, den Tee einzuschenken, ohne dabei etwas zu verschütten. Er wirkte so unsicher, so zerbrechlich, dass Daniel sich fragte, ob es nicht völlig verrückt von ihm gewesen war hierherzukommen. Daniel hatte das Wesen gesehen, das Jagd auf die Kinder von Noble’s Green machte; er hatte seine dunkle Macht und seine Kraft von Angesicht zu Angesicht gespürt. Dieser winzige Mann war kaum kräftig genug, um eine Tasse Tee einzugießen. Doch irgendwie wusste Plunkett vom Shroud. Er hatte ihn vor vielen Jahren gezeichnet, lange bevor Daniel oder seine Freunde überhaupt geboren worden waren. Der eindeutigste Hinweis darauf, dass der alte Mann in all das verwickelt war, war allerdings Daniels Bauchgefühl. Vielleicht war es etwas in Plunketts Benehmen, das ihn verdächtig werden ließ, vielleicht war es aber auch nur die Intuition eines Jungen. In jedem Fall war Daniel sich sicher, dass der alte Mann mehr war, als er zu sein vorgab, und Daniel hatte von den Lügen die Nase voll.
»Ich habe Ihren Mann gestern nach der Beerdigung bei mir zu Hause gesehen. Ich habe ihn von meinem letzten Besuch wiedererkannt.«
Plunkett legte den Kopf zur Seite. »Meinen Mann?«
»Der, der die schicken Anzüge trägt. Der Typ mit dem Bart. Ich nehme an, er ist Ihr Leibwächter oder so was. Und Sie haben ihn zu mir nach Hause geschickt, damit er mich und meine Freunde ausspioniert.«
Daniel war überrascht, dass Plunkett nicht sofort antwortete. Normalerweise schien der Mann ja seine kleinen Spielchen zu lieben, doch nun wirkte er ehrlich verwirrt. Vielleicht sogar ein bisschen ängstlich. Als er dann etwas sagte, kam es Daniel vor, als spräche Plunkett nur halb zu ihm und würde vor allem etwas mit sich selbst diskutieren.
»Ich bin sicher, dass ich nicht weiß, wovon du sprichst. Es gibt keinen solchen Herrn in meinen Diensten. Es stimmt, dass ich in ganz Noble’s Green meine Leute habe, aber auf niemand von ihnen passt deine Beschreibung.«
Plunkett schnaubte und rieb die Hände aneinander. Damit war das Thema offensichtlich erledigt. »Es hat mich jedoch betrübt, als ich vom Tod deiner Großmutter hörte«, fuhr er fort. »Du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass sie ein besonderer Mensch war.«
»Sie kannten meine Großmutter?«, fragte Daniel.
»Ich lebe schon lange hier. Ich kenne eine Menge Leute. Es ist schon merkwürdig, alle zu überleben, die man kennt …« Plunketts Schultern sackten zusammen, und seine wässrigen Augen blickten in die Ferne, während er an seinem Tee nippte. Einen Augenblick lang tat der alte Schurke Daniel tatsächlich leid. Doch dann rief er sich stumm in
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