Acornas Heimkehr
Heimat meines Volkes. Ich muss die sterblichen Überreste unserer Vorfahren von hier fortschaffen. Diese Welt ist inzwischen sogar für die Toten kein sicherer Ort mehr.«
Für Markel waren die Luftschächte der Haven fast so etwas wie seine Heimat. Hier, in diesem Labyrinth aus Kriechgängen, Ventilationstunneln und Zu- sowie Abluftkanälen hatte er sich versteckt und durch das ganze Schiff bewegt, nachdem die palomellaischen Verbrecher seinen Vater ermordet hatten.
Ob sie nun eine Kampfausbildung genossen haben mochten oder nicht, einen Vorteil hatten die Sternenfahrer gegenüber den Roten Kriegern allemal: Sie kannten ihr Raumschiff inund auswendig. Als offenkundig geworden war, dass sie in eine Falle getappt waren, hatte Markel als Versteck für die jüngeren Kinder und die ›Gäste‹ der Haven natürlich gleich das Lüftungssystem vorgeschlagen. Also verkrochen sich er, Johnny Greene und Khetala, zusammen mit der Reamer-Familie und allen Sternenfahrern unter fünf Jahren, in größter Eile in den voluminösen, von Deck A nach Deck D führenden Haupt-Luftschächten, die man ohne größeren Aufwand vom Rest des Schiffes abschotten und behelfsmäßig mit einer eigenen Sauerstoffversorgung ausstatten konnte.
Von allen, die sich dort versteckten, war sich allein Markel bewusst, dass in diesem Bereich des Ventilationssystems seinerzeit viele der Meuterer den Tod gefunden hatten, als sie versucht hatten, ihm, Acorna, Calum Baird und Dr. Hoa durch die Luftschächte zu folgen, nachdem Markel Acorna aus ihrer Gefängniszelle befreit hatte. Die Palomellaner waren hier durch eben jenes Giftgas umgekommen, das sie eigentlich Markel und seinen Freunden zugedacht hatten. Als er nun, flach an den Boden gedrückt, ohne zu sprechen und vor lauter Anspannung sogar kaum atmend, in dem horizontal verlaufenden Belüftungstunnel lag, zusammen mit vielleicht hundert anderen Leibern, die sich in der gleichen Weise über die ganze Länge dieses Untersystems der
Luftversorgungsanlage verteilt hatten, vermeinte er, den Gestank des damals hier eingesetzten Giftgases immer noch riechen zu können. Doch natürlich war das Unsinn. Es war viele Monate her, seit sie die Palomellaner überwältigt, vergast oder in den Weltraum gestoßen hatten.
Er wartete auf die Schreie seiner Schiffskameraden unter ihm
– auf die Stimmen von ‘Ziana und Pal, die Befehle brüllten, eine Kapitulation anboten, irgendetwas. Ihre Gesichter waren auf dem Komschirm zu sehen gewesen, als sie mit Nadhari Verbindung aufgenommen hatten, deshalb konnten sie sich nicht auch vor den Angreifern verstecken. Sonst hätten ihre Gegner vielleicht erkannt, dass sie im Inneren des Raumschiffes gar nicht alle Sternenfahrer vorgefunden hatten.
Doch er hörte nur sehr wenig von unten zu sich heraufdringen
– keine Schreie, keine Rufe, nur Seufzer und leise schlurfende Geräusche, bevor schließlich die Stiefel der Feinde über die Decks der Haven stampften und sich danach mit noch schwererem Tritt wieder zurückzogen.
Wenig später spürte er, wie der Lärm eines eilig startenden Raumschiffs den Boden der Landehalle draußen erbeben ließ.
Von unmittelbar unter ihm jedoch war immer noch kein Laut zu hören.
Markel hatte sich strategisch günstig über einigen Ausrüstungsschränken auf die Lauer gelegt, ein wenig abseits von den anderen, sodass er, falls man ihn entdeckte, glaubhaft behaupten könnte, dass er allein sei. Oder dass er, falls man die anderen entdeckte, umgekehrt diesem Schicksal entgehen und somit seinen Kameraden helfen könnte, zu fliehen.
Johnny Greene lag unmittelbar über seinem Dienstraum, der Rechen- und Navigationszentrale der Haven. Khetala, Reamer und ein paar der älteren Kinder hatten sich gleichmäßig zwischen den jüngeren Kindern verteilt, um sie ruhig zu halten. Nicht dass es selbst unter den Allerjüngsten viele gegeben hätte, die nicht zu kämpfen und auch in Belastungssituationen außerordentlich besonnen zu handeln vermocht hätten. Doch die jüngeren Kinder waren nun einmal zugleich die Kleinsten und somit für die mehr als ausgewachsenen Roten Krieger auch am leichtesten zu überwältigen.
Markel holte tief Luft, hielt den Atem an und öffnete die luftdichte Wartungsklappe im Boden des Luftschachts, die den Zugang in den Raum unter ihm darstellte. Der beißende Gestank irgendeines Gases stieg empor, drang ihm in die Nase, ließ ihm das Wasser in die Augen schießen und machte ihn sogar mit angehaltenem Atem schläfrig. Es
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