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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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gewesen. Und jetzt wusste Lunau, warum: Er war undicht. Das Wasser schien durch die Fugen der Planken einzudringen. Zum Glück musste Lunau selten rudern, die Strömung nahm ihm die meiste Arbeit ab. Er konnte sich darauf konzentrieren, das Lenzwasser aus demRumpf zu schöpfen und ab und zu den Kurs zu korrigieren. Die Nacht hatte auf dem Fluss einen ganz anderen Klang als am Festland. Das Wasser selbst floss lautlos, die Geräusche von Land wurden sanft und blechern, in Schwaden, herangetragen. Schließlich nahm Lunau das Brummen wahr, das schnell anschwoll. Noch ehe er einen freien Blick hatte, wusste er, dass nicht nur der Schwimmbagger, sondern auch der Lastkahn noch in der Nähe war. Er war rechtzeitig gekommen.
    Da klingelte sein Handy, Lunau fischte es aus der Tasche und wollte den Anruf wegdrücken, als er die Nummer erkannte: Jette.
    »Hallo Jette«, sagte Lunau, so neutral wie möglich, weil er wusste, dass sie Gefühlsduselei nicht mochte.
    »Hallo Kaspar.«
    »Wie geht’s den Kindern?«
    »Ich rufe nicht wegen der Kinder an. Kannst du bitte mit Beate reden?«
    »Was ist mit Beate?«
    »Ist mir egal. Ich bin weder deine noch Beates Logistikzentrale. Geh einfach an dein Handy und sag deinen Kollegen, sie sollen nicht mich behelligen, wenn du gerade abgetaucht bist.«
    Lunau fiel ein, dass er das Handy fast den ganzen Tag abgestellt hatte und dass man ihn heute im Sender erwartet hatte. Auf dem Display blinkte das Symbol für entgangene Anrufe.
    »Was ist das für ein Lärm. Wo steckst du überhaupt?«
    »Das ist jetzt schwer zu erklären. Jedenfalls in Italien.«
    »Wie schön für dich.«
    »Ich arbeite.«
    »Na eben. Für dich gibt es ja nichts Schöneres.«
    »Jette …«
    »Was ist?«
    Lunau schwieg. Es gab zu viel, was er zu sagen hatte. Nichtsvon alledem wollte Jette jetzt hören. Sie wollte es überhaupt niemals hören. Er sagte es trotzdem.
    »Du fehlst mir. Und die Kinder.«
    »O bitte!«
    Er spürte, dass sie einfach auflegen wollte. »Warte …«
    Sie atmete ungeduldig. Er wollte einfach nur ihre Stimme oder ihren Atem hören.
    »Was wollte Beate denn?«
    »Ruf sie selber an.«
    »Bitte sag’s mir.«
    »Hast du was an den Ohren?«
    Jetzt merkte sogar Jette, dass sie sich einen Fauxpas geleistet hatte. Sie schnaubte ganz leise durch die Nase und sagte: »Entschuldige.«
    »Schon gut. Wenigstens habe ich bei dir einen Behindertenbonus.«
    Sie lachte, und dann fragte sie: »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    In ihrer Stimme schwang auf einmal etwas mit, das wie Sorge klang, ein weicher, gefühliger Ton, in dem Lunau sich immer geborgen gefühlt hatte wie sonst nirgendwo.
    »Ja«, antwortete er.
    »Mach’s gut. Und halt mir die Nervensägen aus deinem Sender vom Leib.«
    Sie hatte aufgelegt, ehe Lunau etwas erwidern konnte. Er stellte das Handy aus und tauchte in den infernalischen Lärm ein. Er war jetzt so dicht an den Schiffen, dass er die Nieten in den Stahlwänden erkennen konnte. Zwei Männer bewegten sich auf dem Schwimmbagger, ebenso auf dem Lastkahn. Einer war auf der Brücke, der andere am Bug, wo er den Rüssel so justierte, dass der Sand sich gleichmäßig im Rumpf verteilte und den Kahn nicht in Schieflage brachte. Gesichter waren nicht zu erkennen.Lunau suchte den Bug des Lastkahns ab, aber die Zulassungsnummer war von Tauen und Fendern verdeckt.
    Der Schwimmbagger lag mit dem Bug flussaufwärts in der Strömung, dahinter war der Lastkahn vertaut. Der trieb genau auf den Schwimmbagger zu. Der Lärm ließ nicht nur Lunaus Bauchdecke, sondern auch die Hohlräume im Kopf vibrieren. Lunau drosselte die Pegel des Rekorders und schob seine Ohrplugs in die Gehörgänge.
    Er wollte sich am Schwimmbagger vorbeitreiben lassen und die Zulassungsnummer des Lastkahns notieren, danach versuchen, die Gesichter zu erkennen. Dass man ihn wahrnahm, war nahezu ausgeschlossen, denn die Motoren überdeckten jedes Geräusch, und bis auf die Notbeleuchtung auf den Brücken waren alle Scheinwerfer ausgeschaltet.
    Der Mann am Saugrüssel war groß und schlank. Seinen geschmeidigen Bewegungen nach recht jung. Er hob den Arm und winkte ab. Die Drehzahl des Saugmotors reduzierte sich zu einem sanften Tuckern. Ein Mann kam von der Brücke des Schwimmbaggers und zog den Saugrüssel zurück an Bord. Lunau war mit dem Nachen gegen die Bordwand des Lastkahns gestoßen und Richtung Heck abgetrieben. Dort hing ein Beiboot. Kunststoffrumpf und starker Außenbordmotor. Lunau erkannte ihn wieder. Er war dunkelblau, mit der

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