Acqua Mortale
Neuigkeit«, sagte der Kommissar.
»Di Natale hatte ein Riesenprojekt in Planung.«
»Ich weiß. Im Deichvorland.«
64
Lunau hatte sich inzwischen im Spiegel gesehen, aber er vergaß immer wieder, wie er auf andere Menschen wirkte. Mirkos Gesicht war für einen Augenblick in der Haustür aufgetaucht, doch dann hatte er sie mit einem Schrei wieder zugeworfen. Lunau klingelte noch einmal. Dann pochte er an die Tür.
»Was wollen Sie von uns?«, schrie Silvia von drinnen.
»Ich bin es«, flüsterte Lunau, »bitte.«
Die Tür ging einen Spalt auf, und Silvias Gesicht erstarrte vor Schreck. Ehe sie etwas sagen konnte, schob Lunau sich in den Korridor und drückte die Tür hinter sich zu.
»Niemand darf wissen, dass ich hier bin. Zappaterra denkt, ich bin tot. Balboni hat mir gesagt, dass Sie eine zweite Obduktion haben machen lassen.«
Silvia hielt sich die Hand vor den Mund, ihre Kehle pumpte.
»Das ist halb so schlimm«, sagte Lunau und deutete vage auf seinen Kopf.
»Das ist es nicht. Es ist dieser Geruch … Tun Sie mir den Gefallen, waschen Sie sich.«
»Ich glaube, ich weiß jetzt, wer Ihren Mann umgebracht hat, und warum. Zappaterra. Er wollte sich das Geschäft mit dem Sand unter den Nagel reißen. Oder es gab Streit, weil Ihr Mann aussteigen wollte. Ihr Mann hat das Geld wahrscheinlich nur genutzt, um seine schwimmende Mühle zu bauen, seinen Erlebnispark, wahrscheinlich hatte er nur das Wohl des Flusses im Sinn.«
Silvia zog ihn am Ärmel durch den Flur, durch das Wohnzimmer und durch die Glastür, bis er im Garten stand.
Lunau schaute sich um. Man konnte den Garten von den Nachbargrundstücken aus einsehen.
»Zappaterra denkt, ich bin tot. Das soll so bleiben.«
»Dann waschen Sie sich, und ziehen Sie etwas anderes an.«
Lunau nickte.
»Setzen Sie sich hier hin. Ich lasse das Wasser einlaufen.«
Silvia verschwand. Lunau überlegte. Der Gerichtsmediziner hatte die Todeszeit Di Natales offensichtlich nur sehr oberflächlich ermittelt. Es gab im Fluss Strömungen mit unterschiedlicher Temperatur, es gab die Möglichkeit, die Leiche künstlich herunterzukühlen. Womöglich war Di Natale erst später gestorben. Zappaterra war an jenem Abend bis 22 Uhr 30 bei Lunau im Hotel gewesen. Dann kam ein Anruf, und Zappaterra verschwand, in heller Aufregung.
Lunaus Gedanken drehten sich im Kreis: Er brauchte Beweise gegen Zappaterra. Wo gab es die? Balboni musste sich die Verbindungsübersichten von Zappaterras Handy besorgen, seine Telefone abhören. Aber auch das würde nur bewilligt werden, wenn Beweise für einen Anfangsverdacht vorlagen. Beweise, nicht nur eine Theorie.
»Sie können kommen.« Silvia stand, in sicherem Abstand, neben Lunau. Sie betrachtete seine Kopfwunde. »Wer hat das denn verarztet?«
»Der Schäfer, Dany Bellinis Vater.«
»So sieht es auch aus. Das muss desinfiziert werden.«
Lunau ging ins Badezimmer. Das Fenster war beschlagen, in der Wanne war ein Berg aus Badeschaum, der nach Piniennadeln und Cognac duftete. Lunau öffnete den Knoten der Kordel, an der die grobe Hose hing. Sie rutschte nach unten. Er versuchte, sich den kratzigen Pullover über den Kopf zu ziehen, aber er konnte den rechten Arm nicht über Brusthöhe heben. Also probierte er es mit dem linken.
Das warme Wasser stimulierte die Durchblutung und damit die Nerven. Die Schmerzen liefen durch Lunaus Glieder, ehe sich die Muskeln entspannten. Lunau wurde plötzlich müde, aber er durfte keine Zeit verlieren. Er rief nach Silvia.
»Hatten Sie wegen dieser illegalen Sandgeschäfte Krach mit Ihrem Mann?«
Sie war an der Tür, sprach aber ganz leise, er solle den Mund halten.
»Was ich nicht verstehe: Wieso wurde die erste Mühle abgefackelt? Und von wem? Sind Umweltschützer Ihrem Mann auf die Schliche gekommen?«
»Sie haben nichts begriffen von Vito.«
»Erklären Sie ihn mir.«
»Wie weit sind Sie?«
»Fertig«, sagte Lunau, und die Tür ging auf. Silvia stand mit einem Stoß Klamotten in der Tür. Sie entschuldigte sich, ging aber nicht. Sie betrachtete das, was von Lunaus Körper aus dem Schaum ragte.
»Ich habe Ihnen ein paar Sachen von meinem Mann gebracht. Ist nicht genau Ihre Größe, aber wird Ihnen besser stehen als die Schäferkluft. Und entschieden besser riechen.«
Sie legte die Kleider auf eine Kommode neben der Badewanne und warf einen Blick auf Lunaus Kopf. Die Wunde war durch dasBadewasser aufgeweicht, aber sie blutete kaum. Silvia strich die Haare auseinander.
»Gütiger Gott«, sagte
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