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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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mithelfen, unsere Demokratie abzuschaffen?«
    Er trank einen Schluck und hob dann das Glas in einem Ruck.
    »Unsinn. Ich rede ins Blaue hinein, ich überspitze gerne. Ich bin selbst Demokrat. Aber um unsere Demokratie zu schützen, müssen wir sorgsamer mit Informationen umgehen. Das ist alles. Ich möchte nicht, dass du dein Lebtag in einem sinnlosen Gewissenskonflikt verbringst, ich möchte nicht, dass du Journalistin wirst.«
    Sie lachte kurz auf. »Vergiss es.«
    Er nickte und starrte vor sich auf den Tisch. Eine große, glänzende, mit einer ledernen Schreibgarnitur verzierte Mahagoniplatte. Das gesamte Büro war von klinischer Sauberkeit. Kein einziger Klientenname. An zwei Wänden standen Metallschränke mit alphabetischen Kürzeln, an der anderen Seitenwand Regale mit Aktenordnern und Grundlagenwerken zum Steuerrecht, hinter dem Schreibtisch ein Fenster mit dicken Stores und zwei Porträts. Ein Parteichef in grünem Polo-Shirt, noch mit jugendlichem Gesicht und braunen Locken, es war vor seinem Schlaganfall aufgenommen worden, auf der anderen Seite Adelchis Vater, im Lodenmantel.
    »Du bist also nicht umzustimmen?«
    »Nein.«
    Stille. Sie rechnete damit, dass er ihr nun drohen würde, sie aus dem Haus zu werfen, ihr jegliche finanzielle Unterstützung zu streichen. Und sie merkte, wie sie wieder schwach wurde.
    »Dann werde ich dir helfen. Wenn du mir versprichst, dass du mit den Informationen nicht sorglos umgehst.«
    »Natürlich nicht«, sagte sie.
    »Und ich möchte, dass du die Finger von diesem ausländischen Reporter lässt.«
    »Aber …« Sie sprang auf. »Das kommt nicht in Frage.«
    »Der Mann steht für genau den Journalismus, der keinem weiterhilft. Und die Leute reden.«
    »Der Mann ist einer der wenigen integren Reporter, einer, der sich nicht um seine Karriere schert, sondern um Berufsethos.«
    »Bist du da so sicher?«
    Sein Lächeln gefiel ihr nicht. »Ja,« sagte sie, und ihre Stimme klang nicht sehr fest.
    »Bisher hat er nicht viel für Marco getan, oder?«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich habe so meine Kanäle.«
    Sie ließ sich auf den Stuhl fallen. »Ich weiß nicht, was du eigentlich von mir willst.«
    »Wie gesagt, ich will, dass wir endlich wie zwei erwachsene Menschen miteinander auskommen. Und dass wir einander beistehen, wenn Not am Mann ist. Ich biete dir meine Hilfe an und bitte dich um dasselbe. Zwischen Vater und Tochter sollte das normal sein. Bei uns ist es das nicht, daran bin auch ich schuld, und das sehe ich ein. Ich werde dir alles sagen, was ich zu Marcos und Di Natales Tod weiß. Und im Gegenzug tust du dasselbe, einverstanden?« Er hielt ihr die offene Hand hin. »Als Bonus kannst du deinen ersten Artikel im Carlino veröffentlichen.«
    Sie schaute ihm in die Augen. Sein Blick war warm und klar. Seine Hand hing immer noch in der Luft. Sie spürte diesen Wunsch, einfach einzuschlagen, aber sie spürte auch, dass dieser Wunsch nichts mit ihrer Zukunft zu tun hatte. Es war die Tochter, die artig zu ihrem Vater sein wollte.
    »Ich lasse mich nicht kaufen«, sagte sie und wandte sich zur Tür. Da hörte sie ein kratzendes Geräusch und ein Krachen, wie aus einem Funkgerät. Eine blecherne Stimme rief nach einem Streifenwagen, wieder und wieder. Amanda schaute ihren Vater an, der die Lautstärke an seinem Computer hochfuhr. Endlichkam eine Antwort von der Streife: »Ja, hier Hecht 81.« – »Probleme? Wieso meldet ihr euch nicht.« – »Nein, keine Probleme.« – »Und der Verdächtige?« – »Schweigt.« – »Bringt ihn mit zur Dienststelle.« Es krachte im Funkverkehr. Die Zentrale fragte immer wieder an. Dann antwortete wieder dieselbe Stimme. »Im Moment nicht vernehmungsfähig.« – »Wieso?« – »Pulla hat ihn ein bisschen hart rangenommen.«
    Amanda starrte ungläubig auf ihren Vater.
    »Die reden von Marco?«
    Adelchi Schiavon nickte.
    »Ich denke, der Mitschnitt des Funkverkehrs ist verschwunden? Wo hast du das her?«, fragte Amanda.
    »Wie gesagt, ich habe so meine Kanäle. Willst du dich nicht wieder setzen?«
28
    Die Erdgeschichte hat eine Million Jahre gebraucht, um die Landschaft zu schaffen, die man heute als Po-Ebene sieht: eine schier grenzenlose, öde Wanne, durch die sich scheinbar träge und kraftlos ein manchmal silbergraues, manchmal schlammfarbenes, manchmal blaugrünes Gewässer zieht. Vor einer Million Jahre lag diese Ebene noch unter den Wassern der Adria, etwa hundert Meter unter dem Meeresspiegel. Was dann passierte, ist den

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