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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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er weitertrug, so hart auf die Probe gestellt worden war wie nur ganz wenige aus seiner Generation und daß er sich bewährt hatte. Die Jahrzehnte verstrichen und die Erinnerung verblaßte, aber ein Mann konnte immer noch an dem gemessen werden, was er in jenen turbulenten Kriegszeiten geleistet hatte. Jean-Philippes Ruf war gesichert, unantastbar. Der Name anderer Helden der Résistance war durch die Enthüllungen späterer Jahre besudelt worden, doch auf den seinen fiel nie ein Schatten. Die Orden, die er freilich nie getragen hatte, waren ehrlich verdient.
    Jean-Philippe hatte beobachtet, wie dieses Wissen auf Gerard wirkte: In den Augen des Jungen sah er das sehnsüchtige Verlangen nach väterlichem Respekt und Beifall, sein Bedürfnis, sich mit ihm zu messen, ja vor dem Vater zu bestehen. Hatte er nicht darum als Einundzwanzigjähriger das Matterhorn bestiegen? Dabei hatte Gerard nie zuvor Interesse am Bergsport bekundet. Das Abenteuer war zeitaufwendig und sehr teuer gewesen; Gerard hatte den besten Führer von Zermatt engagiert, der ihm berechtigterweise einige Monate harten Trainings auferlegte, bevor der Gipfel in Angriff genommen wurde, ganz zu schweigen vom Aufstieg selbst, für den er dem jungen Mann unerbittlich seine harten Bedingungen diktierte. Die Gruppe würde vor dem Einstieg in die Gipfelwand umkehren, wenn er, der Bergführer, den Eindruck hatte, daß Gerard sich oder andere gefährdete. Aber sie waren nicht umgekehrt. Der Berg wurde bezwungen: eine Heldentat, die Jean-Philippe nicht vollbracht hatte.
    Und dann kam der Verlag. Jean-Philippe wußte, daß er in den letzten Jahren bei Peverell Press kaum noch mehr als ein Gast gewesen war, geduldet, unbehelligt, für niemanden ein Problem. Sobald Gerard Macht in die Hand bekam, würde er den Verlag radikal verändern. Und Jean-Philippe hatte ihm diese Macht gegeben. Er hatte von seinen Anteilen zwanzig an Gerard und fünfzehn an Claudia überschrieben. Gerard brauchte sich nur noch die Unterstützung seiner Schwester zu sichern, um die absolute Mehrheit zu erlangen. Und warum auch nicht? Die Peverells hatten ihre glanzvolle Ära gehabt, es war an der Zeit, daß die Etiennes sie ablösten.
    Und immer noch war Gerard, Monat für Monat, gekommen, um Bericht zu erstatten, als wäre er ein Verwalter, der seinem Herrn Rechenschaft schuldet. Dabei bat er weder um Rat noch Zustimmung, denn das war es nicht, was er bei seinem Vater suchte. Manchmal hatte Jean-Philippe den Eindruck, als sei die Fahrt hierheraus für Gerard eine Art Wiedergutmachung, eine selbstauferlegte Buße und Kindespflicht, der er sich jetzt unterwarf, da es den alten Mann nicht mehr kümmerte und die ohnehin schwachen Bande, die ihn mit der Familie, dem Verlag, ja dem Leben überhaupt verknüpften, seinen steifen Händen vollends entglitten. Jean-Philippe hatte zugehört, auch hin und wieder einen Kommentar abgegeben, es aber nie über sich gebracht zu sagen: »Ich will nichts mehr hören. Das geht mich alles nichts mehr an. Du kannst Innocent House verkaufen, in die Docklands ziehen, den Verlag zu Geld machen, die Archive verbrennen. Mein Interesse an Peverell Press ist endgültig dahin, seit ich diese Handvoll zermahlener Knochen in die Themse geworfen habe. Für deine wichtigen Geschäfte bin ich ebenso tot wie Henry Peverell. Sie kümmern uns nun beide nicht mehr. Bloß weil ich mit dir sprechen kann und in einigen Dingen immer noch funktionsfähig bin, darfst du mich nicht gleich für lebendig halten.« Doch er sagte nichts von alledem, sondern saß immer nur reglos da und streckte von Zeit zu Zeit die zitternde Rechte nach seinem Weinbecher aus, den er, dank seiner massiven Form, jetzt soviel leichter handhaben konnte als ein gestieltes Glas.
    Auch bei einem ihrer letzten Gespräche hatten sie so beisammengesessen. Gerards Stimme schien von weit her zu kommen. »Es ist schwer zu entscheiden, ob man lieber kaufen oder mieten sollte. Im Prinzip bin ich ja fürs Kaufen. Die Mieten sind zwar gerade spottbillig, aber das ändert sich bestimmt, sobald die Verträge auslaufen. Andererseits wäre es auch sinnvoll, einen kurzfristigen Mietvertrag, vielleicht über fünf Jahre, abzuschließen und das Kapital für Anschaffungen und Modernisierung freizuhalten. Im Verlagswesen geht es schließlich um Bücher, nicht um Grundbesitz. Peverell Press hat die letzten hundert Jahre praktisch all seine Rücklagen für den Unterhalt von Innocent House vergeudet, als ob das Haus der Betrieb wäre. Nach

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