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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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geglaubt, nur zum Wohle Frankreichs zu handeln, und wenn die Achsenmächte gesiegt hätten, dann hätten sie vielleicht sogar recht behalten. Manche waren aufrechte Männer gewesen, die aus nicht ganz und gar unlauteren Motiven die falsche Seite gewählt hatten, andere waren Schwächlinge, wieder andere waren vom Haß auf den Kommunismus geleitet gewesen, und einige hatte der heimtückische Glamour des Faschismus verführt. Hassen konnte er keinen von ihnen. Aber dafür waren ihm auf einmal der eigene Ruhm, sein Heroismus und seine Unschuld vergällt.
    Er mußte fort aus Frankreich, und da seine Großmutter Engländerin gewesen war, ging er nach London. Er sprach fließend Englisch und war mit den Landessitten vertraut, was ihm die selbstauferlegte Verbannung erträglicher machte. Aber er war nicht aus besonderer Zuneigung für das Land oder seine Bewohner nach England gekommen. Landschaftlich war es wunderschön, aber was war schon eine englische Landschaft gegen Frankreich? Doch da er dort nun einmal nicht mehr leben konnte, bot England sich am ehesten an. Auf irgendeiner Party in London – er konnte sich jetzt nicht mehr erinnern, wo oder bei wem –, hatte man ihn Henry Peverells Cousine Margaret vorgestellt. Sie war hübsch, sensibel und betörend kindlich. Und romantisch veranlagt, wie sie war, hatte sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt, in sein Heldentum, seine Nationalität, ja sogar in seinen Akzent. Ihre blinde Verehrung hatte ihm geschmeichelt, und es wäre schwergefallen, auf ihre Verletzlichkeit (oder was er dafür ansah) nicht wenigstens mit Zuneigung und einer Art Beschützerinstinkt zu reagieren. Aber er hatte sie nie geliebt; geliebt hatte er nur einen Menschen auf der Welt. Seine Fähigkeit, mehr zu empfinden als bloße Zuneigung, war mit Chantal gestorben.
    Doch er hatte Margaret geheiratet und auf vier Jahre mit nach Toronto genommen, und als sie des selbstauferlegten Exils überdrüssig wurden, waren sie, inzwischen mit zwei kleinen Kindern, nach London zurückgekehrt. Etienne folgte Henrys Aufforderung, in den Verlag einzutreten, hatte sein beachtliches Kapital in die Peverell Press gesteckt, seine Anteile dafür bekommen und den Rest seines Arbeitslebens in diesem extravaganten venezianischen Prachtbau zugebracht, der sich so fremdartig ausnahm, dort oben an dem Fluß im Norden. Alles in allem war er wohl einigermaßen zufrieden gewesen mit seinem Leben. Er wußte, daß die Leute ihn ziemlich langweilig fanden, und es überraschte ihn nicht, denn er ödete sich ja selber an. Seine Ehe jedenfalls hatte gehalten. Er hatte seine Frau Margaret Peverell so glücklich gemacht, wie sie es eben sein konnte. Allerdings hegte er den Verdacht, daß die Peverell-Frauen nicht sehr viel Talent zum Glücklichsein besaßen. Margaret hatte sich nichts so sehr gewünscht wie Kinder, und er hatte ihr pflichtschuldig zu dem Sohn und der Tochter verholfen, die sie sich erträumte. So dachte er, damals wie heute, über Elternschaft; es war um nichts anderes gegangen, als seiner Frau etwas zu beschaffen, das zu ihrem, wenn auch nicht zu seinem Glück nötig war, und für das er, wenn es erst einmal da war – nicht anders als ein Ring oder eine Halskette oder ein neues Auto –, keine weitere Verantwortung mehr trug, da alle Verantwortung mit dem Geschenk weitergereicht wurde.
    Und nun war Gerard tot, und dieser unbekannte Polizist kam, um ihm mitzuteilen, daß man seinen Sohn ermordet hatte.

37
    Kate und Daniel waren um zehn Uhr mit Rupert Farlow verabredet. Da sie wußten, daß es fast unmöglich sein würde, in Hillgate Village einen Parkplatz zu finden, ließen sie den Wagen vorsichtshalber gleich am Polizeirevier Notting Hill Gate stehen und gingen zu Fuß unter hohen Linden die sanft ansteigende Holland Park Avenue hinauf. Für Kate war es ein sonderbares Gefühl, sich so bald schon in diesem vertrauten Teil Londons wiederzufinden. Vor drei Tagen erst war sie aus ihrer alten Wohnung ausgezogen, aber anscheinend hatte sie das Viertel nicht nur konkret, sondern auch in der Phantasie verlassen, und daher sah sie jetzt, als sie sich Notting Hill Gate näherte, das lärmende Großstadtgewimmel mit den Augen einer Fremden. In Wahrheit hatte sich natürlich nichts verändert; weder die unharmonische, mittelmäßige Dreißiger-Jahre-Architektur noch der Schilderwald oder die Umzäunungen vor den handtuchgroßen Vorgärten, die ihr immer das Gefühl gaben, ein Herdentier im Pferch zu sein, und auch nicht die

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