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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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hatte fast routinemäßig die hohlen, teilnahmslosen Augen und die ausgemergelten Gliedmaßen wahrgenommen. Als sie jedoch jetzt zum erstenmal der Bildschirmrealität in Wirklichkeit begegnete, konnte sie nicht begreifen, wie ein menschliches Wesen so hinfällig sein und immer noch atmen konnte, oder wie die riesengroßen Augen, die in den Höhlen zu schweben schienen, sie noch so wach, leicht ironisch, ja belustigt mustern konnten. Er trug einen Morgenrock aus scharlachroter Seide, deren Leuchtkraft den geisterbleichen, gelblichen Teint des Kranken freilich nicht mehr zu beleben vermochte. Dicht am Kopfende des Bettes stand ein Kartentisch mit einem Stuhl davor, und auf dem grünen Filzbelag lagen zwei Spiele bereit. Rupert Farlow und sein Freund hatten offenbar eben eine Partie Canasta beginnen wollen.
    Farlows Stimme war nicht kräftig, aber sie zitterte auch nicht: sein eigentliches Ich war noch lebendig und in den hohen, klaren Tönen erkennbar. »Verzeihen Sie, wenn ich nicht aufstehe. Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach. Ich muß meine Kräfte schonen, damit ich mich nachher noch wehren kann, wenn Ray versucht, in mein Blatt zu linsen. Aber bitte setzen Sie sich doch, falls Sie irgendwo einen Platz finden. Möchten Sie was trinken? Ich weiß, das dürfen Sie im Dienst eigentlich nicht, aber ich bestehe darauf, dies als Privatbesuch zu betrachten. Ray, wo hast du denn die Flasche versteckt?«
    Der junge Mann, der sich inzwischen an den Kartentisch gesetzt hatte, rührte sich nicht. »Danke, aber wir trinken nichts«, sagte Kate. »Wir werden Sie auch nicht lange aufhalten. Wir haben nur ein paar Fragen wegen Donnerstag abend.«
    »Hab’ ich mir schon gedacht.«
    »Mr. de Witt sagt, er sei nach der Arbeit direkt nach Hause gekommen und dann den ganzen Abend hier bei Ihnen geblieben. Können Sie das bestätigen?«
    »Wenn James Ihnen das gesagt hat, dann stimmt’s auch. James lügt nie. Das ist eine der Eigenschaften, die seine Freunde so nervig an ihm finden.«
    »Dann ist es also wahr?«
    »Natürlich, wenn er’s gesagt hat.«
    »Um welche Zeit ist er nach Hause gekommen?«
    »Wie üblich. Gegen halb sieben, oder? Er kann Ihnen das genau sagen. Bestimmt hat er’s Ihnen schon gesagt.«
    Kate, die einen Stapel Zeitschriften auf die Seite geschoben hatte, saß jetzt auf einem viktorianischen Sofa gegenüber dem Bett. »Wie lange leben Sie hier schon mit Mr. de Witt zusammen?« fragte sie.
    Rupert Farlow richtete seine riesigen, schmerzerfüllten Augen auf sie und bewegte den Kopf so langsam, als wäre das Gewicht des kahlen Schädels dem Hals viel zu schwer. »Fragen Sie mich, wie lange ich dieses Haus mit ihm teile, im Gegensatz zu, sagen wir, seinem Leben, seinem Bett?«
    »Ja, genau das möchte ich wissen.«
    »Vier Monate, zwei Wochen, drei Tage. Er hat mich aus dem Hospiz rausgeholt. Warum, weiß ich nicht genau. Vielleicht macht der Kontakt mit Sterbenden ihn an. Bei manchen Leuten ist das so. Jedenfalls hatten wir im Hospiz keinen Mangel an Besuchern, da können Sie sicher sein. Wir sind die einzige karitative Organisation, für die sich immer freiwillige Helfer finden. Sex und Tod, ein großer Scharfmacher. Wir waren übrigens kein Liebespaar, James und ich. Er ist verknallt in diese langweilige, bürgerliche Frances Peverell. James ist ein deprimierend konsequenter Hetero. Sie brauchen also keine Angst zu haben, ihm die Hand zu schütteln, oder sich auch noch intimeren Körperkontakten hinzugeben, falls Sie Ihr Glück versuchen möchten.«
    »Er ist also um halb sieben von der Arbeit gekommen«, sagte Daniel. »Ist er später noch mal weggegangen?«
    »Nicht daß ich wüßte. Er ist gegen elf rauf ins Bett, und er war hier, als ich um halb vier und um Viertel nach vier und um Viertel vor sechs wach wurde. Ich hab’ mir die Uhrzeiten sorgfältig notiert. Ach, und gegen sieben Uhr früh hat er diverse unappetitliche Dinge für mich verrichtet. Dazwischen wäre ihm bestimmt nicht genug Zeit geblieben, um nach Innocent House zurückzufahren und Gerard Etienne zu erledigen. Aber ich warne Sie lieber gleich, ich bin nicht besonders verläßlich. Ich würde das auf jeden Fall behaupten. Schließlich ist es ja nicht gerade in meinem Interesse, daß Sie James ins Loch stecken, oder?«
    »Aber sich an einem Mord mitschuldig zu machen«, warf Daniel ein, »liegt bestimmt auch nicht in Ihrem Interesse.«
    »Ach, das juckt mich nicht. Wenn Sie James einbuchten, dann können Sie mich gleich

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