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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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links vom Kamin waren Nischen mit eingebauten Bücherregalen, und die Buchrücken glänzten im Feuerschein. Die Giebeldreiecke über dem obersten Bord zierte jeweils ein Mädchenkopf, mit Rosen bekränzt und dicht verschleiert, der aussah wie aus Marmor. Wahrscheinlich sollten sie Bräute darstellen, aber die Schleier, so wundervoll duftig und echt sie auch wirkten, sahen doch mehr nach Leichentüchern aus. Makaber, dachte Mandy und stopfte sich den Mund mit Ente voll. Das Bild über dem Kamin, auf dem eine Mutter mit ihren beiden Töchtern posierte, sah nach einem echten alten Gemälde aus, genau wie ein zweites, rätselhaftes Bild von einer Frau in einem Himmelbett, deren Zimmer Mandy seltsamerweise an ihre lang zurückliegende Klassenfahrt nach Venedig erinnerte. Die beiden Ohrensessel rechts und links vom Kamin waren mit einem schlichten Leinenstoff in verblaßtem Pink bezogen, aber nur bei einem verrieten die Knitterfalten in Sitz und Rückenlehne, daß er oft benutzt wurde. Da also sitzt normalerweise Miss Peverell und guckt auf einen leeren Sessel und auf die Themse, dachte Mandy. Das Bild an der rechten Wand hielt sie für eine Ikone, konnte sich aber nicht vorstellen, warum jemand sich eine Jungfrau Maria ins Zimmer hängen mochte, die so schwarz und alt aussah, ganz zu schweigen von dem Jesuskind mit dem ernsten Erwachsenengesicht, das offensichtlich seit Wochen nichts Anständiges mehr zu essen gekriegt hatte.
    Sie war weder auf das Zimmer neidisch noch auf irgendeinen der Einrichtungs- oder Kunstgegenstände, sondern dachte zufrieden an das große, niedrige Dachzimmer, das in dem Mietshaus in Stratford East ihr Reich war, an die Wand gegenüber vom Bett, wo ihre Hüte an einem Lochbrett hingen, ein lustig-bunter Reigen von Bändern, Blumen und farbigem Filz, an das Einzelbett, das doch gerade breit genug war für zwei, wenn gelegentlich einmal ein Freund über Nacht blieb, und das eine schicke, gestreifte Tagesdecke hatte; sie dachte an das Reißbrett, an dem ihre Entwürfe entstanden, an die überall auf dem Fußboden verstreuten Sitzkissen, ihre Hi-Fi-Anlage und den Fernseher und an den geräumigen Kleiderschrank. Es gab überhaupt nur ein einziges Zimmer, in dem sie jetzt noch lieber gewesen wäre.
    Plötzlich hielt sie, die Gabel vor dem Mund, inne und lauschte gespannt. Kein Zweifel, sie hörte Autoreifen auf dem Kopfsteinpflaster quietschen. Gleich darauf kamen de Witt und Miss Peverell aus der Küche zurück.
    James de Witt sagte: »Die Polizei ist gerade gekommen. Mit zwei Wagen. Wir konnten aber nicht sehen, wie viele Leute sie dabeihaben.« Und an Frances Peverell gewandt: »Was meinst du, ob ich wohl runtergehen sollte?« Das klang zum erstenmal unsicher und so, als brauchte er Beistand.
    »Aber nein, bestimmt nicht. Die sind sicher froh, wenn ihnen nicht zu viele in die Quere kommen«, sagte Frances. »Was sie wissen müssen, können sie ja auch von Gabriel und Sydney erfahren. Außerdem werden sie wahrscheinlich sowieso raufkommen, wenn sie draußen fertig sind. Sie wollen doch bestimmt mit Mandy reden. Sie ist ja die wichtigste Zeugin, ich meine, sie war schließlich als erste da.« Frances setzte sich wieder an den Tisch und sagte freundlich: »Sie möchten sicher so rasch wie möglich heim, Mandy, und einer von uns wird Sie nachher nach Hause bringen, aber ich denke doch, Sie sollten bleiben, bis die Polizei Sie gesprochen hat.«
    Etwas anderes wäre Mandy nie in den Sinn gekommen. »Okay«, sagte sie, »mir soll’s recht sein. Die denken jetzt sicher, ich bringe Unglück, oder? Wo ich auch hinkomme, dauernd stolpere ich über einen Selbstmörder.«
    Mandy hatte das halb scherzhaft gesagt, doch zu ihrem Erstaunen protestierte Miss Peverell ganz vehement. »Sagen Sie doch so was nicht, Mandy! So dürfen Sie nicht einmal denken. Das ist bloß törichter Aberglaube, und natürlich wird niemand Ihnen unterstellen, daß Sie womöglich das Unglück anziehen. Hören Sie, Mandy, es wäre mir nicht lieb, wenn Sie heute nacht allein bleiben müßten. Möchten Sie vielleicht Ihre Eltern anrufen – Ihre Mutter? Ich meine, wär’s nicht besser, Sie würden heute abend zu ihr nach Hause gehen? Sie könnte doch auch herkommen und Sie abholen.«
    Ja, wie so ein blödes Paket, dachte Mandy und sagte laut: »Ich weiß nicht mal, wo meine Mutter ist.« Am liebsten hätte sie noch hinzugefügt: Sie könnten’s ja mal im Red Cow auf Hayling Island versuchen.
    Aber Miss Peverells Worte und die

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