Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
jemand, dessen ganze Familie in Auschwitz umgekommen ist.«
Jetzt, im Bett, rückte Declan von ihr ab, drehte sich auf den Rücken und sagte, den Blick auf die im sanften Schein der Nachttischlampe schimmernde gemusterte Seide über sich gerichtet: »Hast du schon mit Gerard gesprochen?«
»Nein, noch nicht. Aber ich mach’s gleich nach der nächsten Vorstandssitzung.«
»Hör zu, Claudia, ich will diesen Laden haben. Ich muß ihn haben. Ich hab’ ihn zu dem gemacht, was er ist. Von mir hat er seinen besonderen Touch. Der alte Simon darf ihn nicht an jemand anderen verkaufen.«
»Ich weiß. Wir müssen eben dafür sorgen, daß er’s nicht tut.«
Seltsam, dachte sie, dieses Bedürfnis zu geben, dem Geliebten jeden Wunsch zu erfüllen, fast als müsse man ihn entschädigen für die Last, so geliebt zu werden. Oder steckte mehr dahinter? Vielleicht der törichte Glaube, er habe ein Recht auf das, was er sich wünschte, wann immer er danach verlangte, einfach weil er so liebenswert war? Wenn Declan etwas haben wollte, dann verlangte er es so hartnäckig wie ein verzogenes Kind, maßlos, ungeduldig und ohne jede Scham. Aber sie redete sich ein, dieser spezielle Wunsch sei vernünftig und durchdacht. 350.000 Pfund für das Haus mit den beiden Wohnungen, dem Laden und allem Inventar waren ein sagenhaft günstiger Preis. Simon wollte verkaufen, und er wollte an Declan verkaufen, nur konnte er nicht mehr allzulange warten.
»Hat er in letzter Zeit noch mal mit dir gesprochen?« fragte sie. »Wieviel Zeit gibt er uns denn noch?«
»Ende Oktober will er spätestens Bescheid haben, aber am liebsten wär’s ihm natürlich früher. Er sehnt sich danach, die Koffer zu packen und seine alten Knochen irgendwo von der Sonne wärmen zu lassen.«
»Auf die Schnelle findet er aber auch keinen anderen Käufer.«
»Nein, aber er will annoncieren, wenn wir uns bis Ende Oktober nicht entschieden haben. Und auf dem freien Markt würde er natürlich mehr verlangen als jetzt von mir.«
»Ich werde Gerard vorschlagen, daß er mich auszahlt.«
»Du meinst, er soll dir deine sämtlichen Verlagsanteile abkaufen? Kann er sich das denn leisten?«
»Nicht so ohne weiteres, aber wenn er will, wird er das Geld auch auftreiben.«
»Und du hast keine andere Möglichkeit, es zu beschaffen?«
Sie dachte: Ich könnte die Wohnung im Barbican Center verkaufen und hierher zu ihm ziehen, aber was wäre das wohl für eine Lösung? Laut sagte sie: »Ich habe keine 350.000 Pfund auf der Bank, falls du das meinst.«
Er gab nicht auf.» Gerard ist dein Bruder. Er wird dir bestimmt helfen.«
»Ach, wir stehen uns nicht sonderlich nahe. Ist ja auch kein Wunder. Nach dem Tod unserer Mutter wurden wir auf zwei verschiedene Internate geschickt. Bis wir beide in Innocent House zu arbeiten anfingen, haben wir uns kaum noch gesehen. Nein, nein, er wird meine Anteile kaufen, wenn er sich einen Vorteil davon verspricht. Andernfalls können wir nicht mit ihm rechnen.«
»Und wann wirst du ihn fragen?«
»Gleich nach der Vorstandssitzung am 14. Oktober.«
»Warum so lange warten?«
»Weil dann der günstigste Zeitpunkt ist.«
Sie lagen ein paar Minuten schweigend nebeneinander.
Plötzlich sagte sie: »Hör zu, Declan, laß uns am 14. einen Ausflug machen, ja? Du kannst mich um halb sieben abholen, und dann fahren wir mit unserem Motorboot bis runter zur Themse-Barriere. Die hast du doch bestimmt noch nie bei Nacht gesehen.«
»Ich hab’ sie überhaupt noch nicht gesehen. Aber ist es um die Zeit abends nicht schon ziemlich kalt auf dem Wasser?«
»Halb so schlimm. Zieh dich halt warm an. Ich bring’ einen Thermosbehälter Suppe mit und Wein. Es ist wirklich sehenswert, Declan. Wenn diese silberglänzenden Kapseln aus dem Fluß vor dir aufragen, denkst du glatt, du fährst auf das Opernhaus von Sydney zu. Ach, bitte, sag ja. Wir könnten auch Greenwich anlaufen und dort in einem Pub zu Abend essen.«
»Na schön«, sagte er, »meinetwegen. Ich versteh’ zwar nicht, warum wir das jetzt schon verabreden müssen, aber ich komme mit – allerdings nur unter der Bedingung, daß ich deinen Bruder nicht zu treffen brauche.«
»Bestimmt nicht, ich versprech’s dir.«
»Dann also um halb sieben vor Innocent House. Von mir aus können wir auch schon früher losfahren.«
»Nein, früher geht’s nicht. Das Motorboot ist vor halb sieben nicht frei.«
Er sagte: »Du tust ja gerade so, als ob das ein ganz wichtiger Termin wäre.«
»Ja«, sagte sie, »es
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