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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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eben ihre Bücher ein. Sie war selbst überrascht gewesen von der Menge, die sie angeschafft hatte, seit sie ihn kannte. Keiner der Schriftsteller, die er ihr nahebrachte, war ihr je in der Schule begegnet – was freilich ihrer Dankbarkeit der Ancroft-Gesamtschule gegenüber keinen Abbruch tat. Denn diese Schule hatte ihr gegeben, was in ihren Kräften stand. Die Lehrer, die Kate früher wegen ihrer Arroganz verachtet hatte, schätzte sie im nachhinein für ihr Engagement, für ihren nimmermüden Kampf um Disziplin, für ihr Bemühen, mit großen Klassen und Kindern mit einem Dutzend verschiedener Muttersprachen fertig zu werden, dabei auf konkurrierende Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, und, so gut es ging, auch noch die entsetzlichen Probleme anzupacken, die einige der Kinder daheim hatten, und sie allesamt durch die Prüfungen zu bringen, die ihnen den Weg in eine bessere Zukunft ein wenig erleichtern konnten. Dennoch hatte sie, Kate, das meiste an Bildung und Erziehung erst nach der Schule mitbekommen. Hinter dem Fahrradschuppen der Schule und auf ihrem geteerten Spielplatz hatte sie alles Unwichtige über Sex, aber nichts Wichtiges erfahren. Erst durch Alan hatte sie das und vieles andere nachholen können. Er hatte sie an die Literatur herangeführt, und zwar ganz ohne Herablassung, denn er sah sich nicht als eine Art Pygmalion, sondern wollte einfach mit dem Menschen, den er liebte, die Dinge teilen, die ihm lieb und teuer waren. Und jetzt war die Zeit gekommen, wo auch das enden mußte.
    Sie hörte seine Stimme: »Wenn wir ohnehin Pause machen, dann koch’ ich uns einen Kaffee. Oder bewunderst du bloß grade die Aussicht?«
    »Was heißt bewundern, ich bin ganz weg davon. Sag, wie gefällt’s dir, Alan?«
    Er war zum erstenmal in der Wohnung, und sie hatte sie ihm mit dem Stolz eines Kindes auf sein neues Spielzeug vorgeführt.
    »Sie wird mir schon gefallen, wenn du endlich fertig eingerichtet bist. Das heißt, falls ich sie noch zu sehen kriege, wenn alles komplett ist. Was ist mit den Büchern hier? Möchtest du Lyrik, Belletristik und Sachbücher getrennt einordnen? Im Augenblick steht nämlich Dalgliesh neben Defoe.«
    »Defoe? Ich wußte gar nicht, daß ich den hab’. Ich mag Defoe eigentlich überhaupt nicht. Ach so, ja, ich glaub’, wir stellen sie getrennt. Und dann alphabetisch nach Autoren geordnet.«
    »Der Dalgliesh ist eine Erstausgabe. Fühltest du dich genötigt, ihn im Hardcover zu kaufen, weil er dein Chef ist und du für ihn arbeitest?«
    »Nein. Ich lese seine Gedichte, um festzustellen, ob ich ihn dann besser verstehen kann.«
    »Na, und? Klappt’s?«
    »Eigentlich nicht, nein. Ich kann die Gedichte nicht mit dem Mann in Verbindung bringen. Und wenn’s doch mal gelingt, dann ist es direkt zum Fürchten. Ihm entgeht praktisch nichts.«
    »Nicht signiert, wie ich sehe. Du hast ihn also nicht drum gebeten.«
    »Das wäre uns beiden bloß peinlich gewesen. Spiel nicht damit rum, Alan. Stell’s ins Regal und Schluß.«
    Sie kniete sich neben ihn. Ihre Fachbücher hatte er gar nicht erwähnt, aber Kate sah, daß sie fein säuberlich neben dem Karton aufgestapelt waren. Sie fing an, eins nach dem anderen aufs unterste Bord zu stellen: ein Exemplar der jüngsten Kriminalstatistiken, den Police and Criminal Evidence Act 1984, Blackstones Guide to the Criminal Justice Act 1991, Butterworths Werk über das Polizeirecht, Keanes The Modern Law of Evidence, Clifford Hogans Abhandlung über Kriminalrecht, das Schulungshandbuch der Polizei und den Sheehy-Report. Der Handapparat einer karrieresüchtigen Frau, dachte sie und fragte sich, ob Alan damit, daß er die Bücher kommentarlos beiseite legte, wohl etwas andeuten, ja vielleicht sogar unbewußt ein Urteil abgeben wollte, das sich auf mehr als ihre Bibliothek bezog. Zum erstenmal seit Jahren sah sie ihre Beziehung aus dem Blickwinkel eines unbeteiligten und kritischen Beobachters. Es war einmal eine berufstätige Frau, erfolgreich, ehrgeizig, die genau weiß, was sie will. Obwohl sie tagtäglich mit den Scherbenhaufen gescheiterter Existenzen fertig werden muß, hat sie aus ihrem eigenen Leben sorgfältig allen Schmutz verbannt. Ein notwendiges Accessoire dieser wohlorganisierten Selbstgenügsamkeit ist ein Liebhaber, intelligent, von angenehmer Erscheinung, bei Bedarf verfügbar, gut im Bett und außerhalb desselben anspruchslos. Drei Jahre lang hatte Alan Scully diese Rolle vortrefflich gespielt. Kate wußte, daß sie sich dafür mit

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